Oberhausen. Michael Joswig hat eine Lernbehinderung. Trotzdem arbeitet er erfolgreich in einem Mülheimer Betrieb, der auf Reparaturen von Elektrogeräten spezialisiert ist.
Hebebühnen, Kanister mit Schmiermitteln und jede Menge klimpernde Schraubenschlüssel: Der Betrieb von Lothar Ditzer in Mülheim, spezialisiert auf Reparaturen von Gartengeräten und Motorrollern, ist eine Werkstatt, wie sie jeder kennt. Doch für Michael Joswig, der seit seiner Kindheit eine Lernbehinderung hat, ist vor zwei Jahren ein Traum wahr geworden – nach einem Praktikum in dem Betrieb wurde der 37-Jährige in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis übernommen.
Dass Joswig trotz seiner starken Lernbehinderung einen Arbeitsplatz wie diesen finden würde, war für ihn lange nicht vorstellbar. Er hat vieles ausprobiert, Praktika und einen Abschluss an der Schule-am-Tetraeder in Bottrop, eine Förderschule für Menschen mit geistiger Behinderung, gemacht. Doch immer, wenn er eine interessante Stellenanzeige fand, sah er die Voraussetzungen und wusste: „Das schaff’ ich nicht.“ Die Schule riet ihm daher, sich einen Platz in einer Behindertenwerkstatt zu suchen. „Ich kann zwar einen Schulabschluss nachweisen, aber mir blieb ja nichts anderes übrig“, erzählt Joswig. Im Gartenbereich der Lebenshilfe Königshardt gehörten Tätigkeiten wie Heckenschneiden und Rasenmähen fortan zu seinen Aufgaben. Doch besonders fasziniert haben ihn die Gartengeräte: „Ich wollte immer wissen, wie sie funktionieren.“ Jedes Mal, wenn er mit seinen Arbeitskollegen die Gartengeräte zur Wartung in die Kfz-Werkstatt von Ditzer brachte, wollte er gar nicht mehr gehen: „Ich wusste sofort, dass ich dort arbeiten möchte und habe nach einem Praktikum gefragt.“
"In der Werkstatt herrscht ein rauer Ton"
Doch der Kfz-Meister war zunächst skeptisch, ob er die Arbeiten überhaupt packt und in dem ganzen Trubel nicht untergeht: „In der Werkstatt herrscht ein rauer Ton. Zudem wollen die Kunden meist zügig ihre Geräte wieder abholen, da kann es schnell hektisch werden.“ Trotz der Lernbehinderung wollte er Joswig eine Chance geben. Und der hat es geschafft. „Vom ersten Eindruck passte alles, er war immer sehr höflich – vor allem brachte er durch seine Arbeit bei der Lebenshilfe schon Erfahrungen mit.“ Einem Praktikum stand also nichts mehr im Wege. Der Kfz-Meister lobt Joswigs Engagement und Durchhaltevermögen: „Er war wirklich sehr bemüht und integrierte sich gut – selbst die Kunden bemerken seine Behinderung überhaupt nicht.“ Für Ditzer und sein Team war klar: Der junge Mann wird fortan ein Teil der Firma sein.
Joswig ist lernbehindert, das Konzentrieren fällt ihm schwer und sein Gedächtnis spielt ihm manchmal Streiche. Handgriffe und Abläufe kann er sich nicht auf Anhieb merken, vieles muss er aufschreiben. „Der erste Tag war ganz schlimm, so viel Werkzeug und jede Menge Kunden.“ Doch mit Geduld und viel Aufmerksamkeit seiner Kollegen steigert sich Joswig: „Man braucht viel Fingerspitzengefühl, muss Dinge wiederholen und darf kein Tempo machen.“ Zu seinen Aufgaben gehört die Arbeitsvorbereitung: Maschinen reinigen, Öl wechseln, Geräte auf mögliche Fehler untersuchen. „Alles gelingt mir da noch nicht sofort – vor allem, wenn wir neue Geräte bekommen, die ich noch nicht kenne, brauche ich Hilfe“, so Joswig. Auch Telefonate und die Beratung von Kunden meide er noch. „Wir können nicht zu viel auf einmal von ihm verlangen – meist sind die Aufgaben von der Tagesform abhängig“, so Ditzer.
Zuschuss durch den Landschaftsverband Rheinland
Die Augen des 37-Jährigen fangen an zu leuchten, wenn er von seiner Arbeit spricht. Wenn er „Routine“ sagt, klingt das ein bisschen wie „Glück“. Das Glück, dazuzugehören, sich morgens auf den Weg zur Werkstatt zu machen und von Kollegen begrüßt zu werden, die dankbar sind, dass er da ist. „Ich werde hier gefordert, habe Abwechslung und bin dadurch selbstbewusster und glücklicher geworden.“ Selbstständig lebt Joswig, geht wöchentlich zum Tischtennis, ist mit Bus und Bahn mobil unterwegs – eine wichtige Voraussetzung, um auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Eine große Hilfe sei dabei der Zuschuss durch den Landschaftsverband Rheinland, der 70 bis 80 Prozent des Bruttogehalts übernimmt und auf vier Jahre begrenzt ist. „Wir investieren nach der Arbeit viele Stunden, damit wir ihm die Vollzeitstelle ermöglichen können.“ Wie es in zwei Jahren weitergehen wird, darauf möchte sich Ditzer noch nicht festlegen: „Wir wollen erstmal abwarten.“