Oberhausen. Politiker der Linken Liste besuchten die Übergangseinrichtung für Flüchtlinge an der Weierstraße in Oberhausen-Sterkrade und kritisieren die besorgniserregenden Zustände in dem Heim. Die Kommunalpolitiker fordern nun ein Konzept. Eine Essener Ratsfrau brachte über Facebook den Stein ins Rollen.

„Die Zustände im Übergangswohnheim an der Weierstraße sind menschenunwürdig“, sagt Yusuf Karacelik, Fraktionsvorsitzender der Linken Liste, nach einem unangemeldeten Besuch dort gestern Mittag. Karacelik hatte den Facebook-Bericht der Essener Ratsfrau Anabel Jujol, die ihre Eindrücke aus dem Oberhausener Heim schildert, zu diesem Besuch veranlasst. Was er fand, erschütterte ihn und Lühr Koch, Linke Liste-Stadtverordneter: „Wir haben uns alle drei Etagen angesehen. Überall ist es katastrophal. Es muss sofort gehandelt werden.“

Karacelik kritisiert die vor Ort tätigen Vereine wie Terre des hommes oder die Flüchtlingsinitiative des Ev. Kirchenkreises: „Sie hätten das längst öffentlich machen müssen.“ Kritik übt er auch an der Stadt: „Es hieß immer, in Oberhausen hätten wir nicht solche Probleme wie andere Städte. Jetzt sehen wir, dass die Stadt und die OGM total überfordert sind.“

"Das unvorstellbarste Rattenloch"

Koch und Karacelik fordern umgehend die Einrichtung eines „Runden Tisches“: „Mit allen Parteien, karitativen Einrichtungen, Wohnungsgenossenschaften und Ehrenamtlichen. Wir brauchen in Oberhausen endlich ein Konzept für den Umgang mit Flüchtlingen.“

Ratsfrau Anabel Jujol hatte den Stein ins Rollen gebracht, als sie einem Hilferuf des jungen syrischen Flüchtlings Badr folgte, der in einem Essener Übergangswohnheim verprügelt und nach Oberhausen verlegt worden war: „Er sagte, er könne in diesen Zuständen nicht leben.“ Sie besuchte ihn in Sterkrade: „Es ist das unvorstellbarste Rattenloch, das ich je gesehen und gerochen habe. Die Familien, die am Montag mit ihm kamen, haben geweint. Ich musste mich beim Besuch der Küche übergeben.“

"Viele sind traumatisiert"

Yusuf Karacelik bestätigt: „Da stehen drei Schrottherde. Pro Etage gibt es vier oder fünf Zimmer, in denen jeweils vier bis sechs Personen leben. Auf jeder Etage gibt es einen Raum mit drei Duschen, diese Küche und zwei Toiletten für 30 Menschen.“ Jujol beschreibt auch, es habe „im ganzen Haus geschimmelt und bestialisch gestunken“. Und: „Es gibt nicht genügend Betten, Menschen haben im Freien übernachtet. Ich wusste nicht, dass es so etwas in Deutschland gibt.“ Von einem Sicherheitsdienst habe sie nichts gesehen und das Büro sei eine verrammelte Bruchbude.

Auch Andreas Ronig (Piraten) ist entsetzt über Jujols Bericht und schlug zunächst vor, Bürger zum „Herbstputz“ aufzurufen: „Frau Jujol versicherte mir aber, dass es mit Aufräum- und Reinigungsarbeiten nicht im Ansatz getan wäre.“ In einem Bericht vom Oktober 2013 habe es geheißen, dass für fast eine halbe Million Euro die Unterkünfte Bahn- und Weierstraße aufgebessert werden sollen; an der Weierstraße vor allem die Sanitäranlagen und die Küchen. Ronig: „Die Bilder lassen zweifeln, dass das je geschehen ist.“ Karacelik fordert: „Sofort müssen Reinigungsdienste und Handwerker rein.“ Lühr Koch ergänzt: „Das fehlende Geld im Stadtsäckel darf kein Argument sein.“ Koch räumt ein, dass einige Bewohner selbst Beschädigungen herbeiführen: „Aber viele sind traumatisiert, einige trinken. Und wo viele Menschen so eng beieinander leben, bleibt das nicht aus.“

Stadt gab Sonderreinigung in Auftrag

Die baulichen Mängel in dem alten Wohngebäude an der Weierstraße seien der Stadt seit einigen Wochen bekannt, räumt Stadtsprecher Uwe Spee ein: „Die Stadt hat Sanierungsmaßnahmen in Auftrag gegeben.“ Seit Mittwoch wisse man von Schäden an den Toiletten: „Auch hier wurde die Reparatur in Auftrag gegeben.“ Das Haus wird nach Stadtangaben „täglich sechs Stunden am Morgen gereinigt“. Die zuständige Sozialdezernentin Elke Münich: „Nach der Auftragsreinigung kommt es leider immer wieder zu teils erheblichen Verschmutzungen, weil die Männer nach der Benutzung den Sanitärbereich nicht reinigen.“ Für die Sauberhaltung der Wohnräume seien die Bewohner ohnehin selbst verantwortlich. Spee: „Die Stadt hat noch am Donnerstag eine Sonderreinigung in Auftrag gegeben.“

Ein Hausmeister ist an fünf Tagen der Woche von 7 bis 17 Uhr vor Ort. Danach und an Wochenenden gebe es einen Bereitschaftsdienst. Als Ansprechpartner stünden auch Mitarbeiter von Terre des hommes bereit: „Mit Angeboten für Kinder.“ Hinzu komme eine Erzieherin in Teilzeit und ein Vollzeit-Sozialarbeiter für die Flüchtlinge an der Bahn, Helmholtz- und Weierstraße. Auf Security-Dienste werde im Sinne einer Deeskalation verzichtet, so Münich. Die Kritik, es gebe an der Weierstraße zu wenig Betten, weist die Dezernentin zurück: „Den Männern werden auch Etagenbetten zur Verfügung gestellt, von denen sie allerdings ungern Gebrauch machen. Im Freien hat dort jedenfalls bisher niemand übernachtet.“

In den Männerunterkünften leben 124 Menschen, denen fünf Duschen zur Verfügung stehen, so Münich. In den Familien- und Alleinstehenden-Containern waren es im August 172 Flüchtlinge.