Oberhausen. . Doris von Prondzinsky-Lange war Schiedsfrau für den Bezirk Lirich/Alstaden – 35 Jahre lang. Jeden zweiten Stress um Hecke, Zaun und Baumschnitt konnte sie schlichten. Und sie hat so manche Geschichte zu erzählen.

Im November ist Schluss. Dann legt Doris von Prondzinsky-Lange ihr Schiedsamt für den Bezirk Lirich/Alstaden nieder – nach 35 Jahren. „So lange hat das noch nie jemand gemacht“, sagt die 75-Jährige, die als eine von sechs Oberhausenern dieses Ehrenamt bekleidet. Viele Menschen hat sie in den Jahren kennen gelernt, viele Geschichten kann sie erzählen. „Die Menschen werden immer aggressiver“, sagt sie. Und sie weiß, wovon sie spricht.

Ihre letzten beiden Fälle seien „eine Katastrophe“ gewesen, sagt Doris von Prondzinsky-Lange. Es ging um Streitereien unter Nachbarn, mal wieder. „In letzter Zeit geht es fast nur noch darum“, sagt die Schiedsfrau. Hecken, Bäume oder Zäune seien Steine des Anstoßes.

Der Wegläufer und die Furie

In den meisten Fällen habe sie eine Einigung erzielen können, am Tisch in ihrem kleinen Wohnzimmer, das auf altmodische Art gemütlich und aufgeräumt ist. Einmal, erinnert sich Doris von Prondzinsky-Lange, als zwei Nachbarn sich über Form und Farbe des Gartenzauns stritten, da habe sie die beiden zusammen in den Baumarkt geschickt. „Die kamen glücklich zurück.“

So gut lief es bei ihren letzten Fällen – einmal ging es um eine Kündigung wegen Eigenbedarf, einmal um das Beschneiden von Bäumen – nicht. Jedes Mal flippte einer regelrecht aus. Erst war es ein Mann („Der ließ keinen ausreden, stand dann auf und rannte raus)“ und dann eine Frau („Die kam an wie eine Furie. Die hatte eine Klappe! Die schlimmste in 35 Jahren“).

50 Euro Strafe

Irgendwie hat sie es dann doch geschafft, die Streithähne zu beschwichtigen. Der männliche Wüterich musste eine Strafe von 50 Euro zahlen, schließlich gibt es auch in diesem Rahmen Regeln. Das Geld geht an das Amtsgericht Oberhausen, dem die Schiedsleute unterstellt sind. Später habe er sich entschuldigt. Genauso wie die Frau.

„Man muss streng sein“, sagt Doris von Prondzinsky-Lange. „Oh ja, das kann ich auch.“ Ansonsten nehme sie die Dinge mit Humor. In etwa der Hälfte der Fälle komme es zu einer Einigung, die andere Hälfte trifft sich vor Gericht. „Wenn die stur sind, kann man nix machen.“

Mit 17 Jahren in den Westen

Ihre Menschenkenntnis hat die in Thüringen geborene gelernte Bankkauffrau ihrer bewegten Lebensgeschichte zu verdanken. Ganz alleine machte sie mit 17 Jahren in den Westen rüber, schlug sich in Flüchtlingsunterkünften von Frankfurt bis Bremen durch, bis sie nach Oberhausen kam. Ohne Papiere ging sie auf Arbeitssuche, fand bei der Volksbank eine Stelle. Nach der Geburt ihrer eineiigen Zwillinge engagierte sie sich dafür, dass beide trotz Gehörlosigkeit heute Berufe haben und eigenständig leben.

„Es hat mir unheimlich Spaß gemacht“, sagt Doris von Prondzinsky-Lange über die letzten 35 Jahre. Es habe ja auch witzige Fälle gegeben. Wie den von den zwei Damen von der Flaßhofstraße, die denselben Mann bezichtigten, die Rechnung nicht gezahlt zu haben. „Ich werde nie vergessen, wie der hier ankam, das Portemonnaie schon in der Hand.“ So schnell wurde wohl kaum ein Streit geklärt.