Oberhausen. . Die Volkshochschule bietet Kurse für Analphabeten an, in denen sie Lesen und Schreiben lernen können. Betroffene beklagen in vielen Fällen eine Stigmatisierung. „Scham spielt da eine ganz große Rolle“, berichtet Hildegard Renner, die an der VHS für das Thema Alphabetisierung zuständig ist.

Rund 5000 Menschen in Oberhausen können entweder überhaupt nicht oder nur bruchstückhaft Lesen und Schreiben – sie werden als „funktionale Analphabeten“ bezeichnet. Nach aktuellen Zahlen sollen landesweit betrachtet sogar 1,5 Millionen Menschen daran scheitern, ganze Sätze zu lesen und Texte zu erfassen. Hildegard Renner, Fachbereichsleiterin Zweiter Bildungsweg und Alphabetisierung bei der hiesigen Volkshochschule, sieht bei den Betroffenen immer noch eine große Hemmschwelle, Hilfe aufzusuchen. „Scham spielt da eine ganz große Rolle.“ „Analphabetismus“ sei immer noch ein Tabuthema.

Aktuell bietet die hiesige VHS drei Kurse an, die sich an Analphabeten richten. „Um den besonderen Bedürfnissen der Teilnehmer gerecht zu werden, wird dort in kleinen Gruppen gearbeitet“, so Renner. Im Schnitt werden pro Kurs zehn Betroffene betreut. „Wir setzen geschultes Personal, teilweise mit Abschlüssen in Psychologie ein, um die Teilnehmer zu unterstützen. Im Jahr durchlaufen so rund 35 Oberhausener diese Kurse.“

Warum kleine Gruppen? „Viele Analphabeten fühlen sich stigmatisiert. Noch immer kommt es vor, dass sie als dumm oder als Personen, die intellektuell nicht mithalten können, bezeichnet werden“, berichtet Renner. Dies führe dazu, dass viele Betroffene erst gar nicht Hilfe aufsuchen würden.

Lernen in kleinen Gruppen

Das teilweise vorherrschende Bild von Analphabeten als Schulabbrechern und Arbeitslosen gehe an der Realität vorbei. „Viele Betroffene sind berufstätig. Sie benutzen bestimmte Mechanismen, damit es nicht auffällt.“ Etwa werden Kollegen gebeten, Schreibarbeiten zu erledigen. „Dies wird in der heutigen Zeit aber immer schwieriger. Schließlich muss schon ein Lagerist Bestellungen erledigen oder einen Unfallbericht schreiben.“

Sollte die Gefahr bestehen, dass diese Schwäche entdeckt wird, oder sich im persönlichen Umfeld etwas geändert haben, ist der Zeitpunkt für einige Betroffene gekommen, etwas zu ändern. „Wenn etwa eine Mutter ihr Kind bei den Schularbeiten helfen will, kann das ein Bewegpunkt sein, Lesen und Schreiben zu lernen.“

Große Sorgen bereitet Renner, dass immer mehr Jugendliche Lese- und Schreibschwächen entwickeln. „Wir haben einen großen Zulauf bei Kursen, die auf den Hauptschulabschluss vorbereiten. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren noch mehr Jugendliche ihre Kenntnisse auffrischen müssen, da sie in früheren Schuljahren nicht richtig Lesen und Schreiben gelernt haben.“