Oberhausen.

An der Melanchthonschule gehört das Vorlesen fest zum Stundenplan. Ein Wettbewerb animiert die Kinder.

„Und auf der Insel finden die Piraten ein paar Schildkröten-Eier. Einer steckt sich ein Ei in die Hosentasche und brütet es aus. Das finde ich witzig.“ Erstklässler Lukas kennt die Geschichten des „Käpt’n Sharky“ in- und auswendig. Immerhin gehören sie zu seinen Lieblingsbüchern – abends, mit der Taschenlampe unter der Bettdecke, liest er sie. „Ich lese gerne“, sagt der Siebenjährige, „weil man da Abenteuer erleben kann.“

Ein Viertel der Oberhausener Kinder zwischen drei und sechs Jahren kann sich nicht richtig ausdrücken und hat deutliche Probleme mit der Grammatik. Sind die Auffälligkeiten auch bei Kindern mit Migrationshintergrund höher, Sprachprobleme haben ebenfalls Kinder aus deutschstämmigen Familien: Zwei von fünf Jungen bzw. 30 Prozent der Mädchen aus diesen Familien haben einen Förderbedarf in Deutsch. Das belegt der kürzlich veröffentlichte Kindergesundheitsbericht der Stadt.

"Wer sich gut ausdrücken will, der sollte viel lesen"

„Wer sich gut ausdrücken will, der sollte viel lesen“, hält dieser Entwicklung die Melanchthonschule entgegen. Auf den Stundenplänen der Alsfelder Gemeinschaftsgrundschule nimmt deshalb Leseförderung eine zentrale Rolle ein. Regelmäßige Vorlesestunden, ganze Lese-Nächte, Besuche in der Schul- und Stadtbibliothek gehören zum Programm. Ebenso der schulinterne Vorlesewettbewerb an diesem Nachmittag, der sich aus einem bundesweiten Wettstreit entwickelt hat. Auch Lukas liest vor – und ist etwas aufgeregt, gesteht er.

Kathrin Gerendt (34) unterstützt ihren Sohn. „Er liest mir auch zu Hause vor.“ Muss sie ihn oft verbessern? „Nicht häufig, Fehler merkt er selbst. Eben weil er viel liest, hat er ein gutes Sprachgefühl bekommen.“

Deutsche Sprache ist reichhaltig

Lesen sei generell wichtig für die kindliche Entwicklung, ergänzt Gundula Vogt, Leiterin der Melanchthonschule. „In den Geschichten finden die Kinder Anleitung, wie sie sich in einer Situation verhalten können. Und sie erfahren, wie reichhaltig unsere Sprache ist.“

Wer lesen kann, kann auch verstehen, ergänzt Wilhelm R. Kurze, Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft. Er setzt sich in verschiedenen Initiativen zur Leseförderung ein, auch beim Vorlesewettbewerb an der Alsfelder Grundschule. „Die großen Köpfe aus unserer Gesellschaft und Geschichte kommen meist aus Familien, in denen Bücher eine wichtige Rolle gespielt haben. Lesen beflügelt die Fantasie und regt den Geist an.“

Maya liest am liebsten mit ihrem Vater. Gerade liege das Buch „Der kleine Hobbit“ von J.R.R. Tolkien auf ihrem Nachttisch, daraus lese ihr der Papa abends vor. „Wenn ich ein Wort nicht kenne, lasse ich ihn den Satz zu Ende lesen und frage nach.“ Wie findet sie das Buch? „Langweilig. Aber bald lesen wir ‘Der Herr der Ringe’. Das wird spannend.“

Tipps für Eltern

Schon ab dem ersten Lebensmonat sollten Eltern ihren Kindern vorlesen, rät Wilhelm R. Kurze von der Literarischen Gesellschaft. „Das Vorlesen in diesem frühen Alter schafft eine enge Bindung zwischen Eltern und Kind.“

Und, ergänzt Gundula Vogt von der Melanchthonschule: „Kinder gewöhnen sich an das Ritual, vor dem Schlafengehen zu lesen. Später greifen sie eigenständig zum Buch.“ Ob nun 30 Minuten oder 15 Minuten abends gemeinsam gelesen werde, das müsse man je nach Tagesablauf entscheiden, meint Kurze. „Wichtig ist die Regelmäßigkeit.“ Und dass sich Kinder beim Lesen und der Auswahl ihrer Lektüre nicht überfordert fühlen. „Das schafft Misserfolge und kann Kinder abschrecken.“

Austausch über das Gelesene wird hoch geschätzt

Man sollte sich deshalb in einer Fachbuchhandlung gut beraten lassen, sagt er, und das Kind in den Kauf einbeziehen. Auch regelmäßige Besuche in der Stadtbibliothek legt er Eltern ans Herz. „Dort können Kinder die Vielfalt der Welt der Bücher entdecken. Die Bibliothek in Oberhausen ist ein heller, offener Raum, mit vielen Rückzugsecken, genau das Richtige für Kinder.“

An der Melanchthonschule wird der Austausch über das Gelesene hoch geschätzt. „Das regt noch einmal an, eine Geschichte zu verarbeiten und neue Worte in den eigenen Sprachschatz aufzunehmen“, sagt Gundula Vogt. Auch zu Hause sollte das geschehen: „Eltern sollten Interesse an den Büchern ihres Kindes zeigen, nachfragen, worum es in einer Geschichte geht.“