Oberhausen. . 737 Familien nehmen die Leistung in Anspruch, die ihnen zusteht, wenn sie keinen öffentlich geförderten Kitaplatz nutzen oder ihr Kind bei einer Tagesmutter unterbringen. Fachleute fürchten Nachteile für die Kinder – gerade für diejenigen, die nicht Deutsch in der Familie sprechen.

737 Familien nehmen derzeit in Oberhausen das Betreuungsgeld in Anspruch – darunter überproportional viele mit Zuwanderungsgeschichte. Das teilt das zuständige Versorgungsamt in Essen auf NRZ-Anfrage mit. Diese Zahlen stützen damit das Ergebnis einer aktuellen Studie der Technischen Universität (TU) Dortmund: Demnach beantragen vor allem Familien mit Zuwanderungsgeschichte das Betreuungsgeld, und solche ohne oder mit nur niedrigem Bildungsabschluss. Dass dadurch vielfach gerade Kinder zu Hause bleiben, denen professionelle Sprachförderung in Kitas gut täte, alarmiert nicht nur die Forscher. Auch in Oberhausen üben Fachleute starke Kritik am Betreuungsgeld.

Betrag steigt ab August auf 150 Euro

Zum Hintergrund: Seit dem 1. August 2013 können Eltern 100 Euro monatlich vom Staat erhalten, wenn sie ihr Kind nicht in einer Kita oder bei einer Tagesmutter unterbringen – ab 1. August steigt der Betrag auf 150 Euro. Geld fließt jedoch nur vom Beginn des 15. bis zum Ende des 36. Lebensmonats.

„Es ist wichtig, dass Eltern entscheiden können, wie ihre Kinder betreut werden sollen“, findet Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Doch setze das Betreuungsgeld falsche Anreize. „Meiner Ansicht nach ist dieser Ansatz kontraproduktiv, da diese Mittel in der Betreuung deutlich besser aufgehoben wären.“ Eine Ansicht, die Klaus Gohlke, Leiter des Bereichs Kinderpädagogischer Dienst, teilt: „Es ist offenbar genau das eingetreten, was Fachleute befürchtet hatten: Das Betreuungsgeld erweist sich in vielen Fällen gerade für die Familien als attraktiv, deren Kinder von einem frühzeitigen Kita-Besuch profitieren könnten.“

Hintergrund ist die Erhöhung des Betreuungsgeldes

Die Zahl der Anträge auf das Betreuungsgeld ist in den vergangenen Wochen in Oberhausen noch einmal angestiegen. Hintergrund ist die Erhöhung des Betreuungsgeldes ab dem 1. August 2014 auf dann 150 Euro im Monat.

Auszüge aus der Studie „Einfluss des Betreuungsgeldes auf die Betreuungsentscheidung“ können von der Internetseite www.forschungsverbund.tu-dortmund.de heruntergeladen werden. Eltern von 290.000 Kindern wurden für die Studie befragt.

Diesen Aspekt betonen auch die Forscher der TU Dortmund. Denn die Kindertagesbetreuung sei ein wichtiger Ort, um etwa Deutsch zu erlernen und sich auf die Schule vorzubereiten. Gerade Kindern aus Familien, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist, könnten so weitere Nachteile für ihre künftige Bildungslaufbahn entstehen.

Betreuungsgeld zementiert traditionelle Rollenverteilung

Dass häufig Familien das Betreuungsgeld beanspruchen, die von Arbeitslosigkeit betroffen oder zumindest bedroht sind, verschärfe die soziale Schieflage.

Noch in einem weiteren Punkt laufe die Entwicklung falsch, so Costecki. „Durch das Betreuungsgeld werden zudem junge Frauen dazu angehalten, zu Hause zu bleiben. Die traditionelle Rollenverteilung, der Mann geht arbeiten und die Frau kümmert sich um ihr Kind, wird dadurch zementiert.“ In der Folge würden sich die Arbeitsmarktchancen der Frauen verringern. Ihr Fazit: „Das Betreuungsgeld muss weg.“