Oberhausen. WAZ-Leserin Marianne Vier schreibt über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Als kleines Mädchen hat sie Rotz und Wasser geheult, weil der Teddybär nach einem Angriff im Bombentrichter lag.

Ich wurde geboren am 10. März 1939 im Elternhaus meiner Mutter, Beethovenstraße 67. Wir bewohnten zwei kleine Räume ohne Badezimmer (die gab es damals selten). Die Toilette (Donnerbalken) gab es im Stall, hinterm Haus.

Und dann kam der Krieg, der alles in Angst und Schrecken versetzte. Wenn die Bomben fielen, mussten wir in den Keller. Oft kam nachts Bombenalarm, und wir mussten schnell über den Schlafanzug den Trainingsanzug ziehen und mit Pantoffeln losrennen. 1944/45 fielen Tag und Nacht Bomben.

Eines Nachts sind wir mit Tante Martha vom Tackenberg über die Brüderstraße zum Eichelkampbunker gelaufen und ich hatte vergessen, einen Schlüpfer anzuziehen. Aber das war gar nicht wichtig. Ein anderes Mal hatte ich die Pantoffeln falsch herum an. Tante Martha hatte Rita, meine ein Jahr jüngere Schwester an der Hand, und wir mussten uns beeilen, weil Fliegeralarm war.

Tannenbaum am Himmel

Ein anderes Mal war ich mit Tante Martha allein. Kurz vor dem Bunker kam ein Tiefflieger und ich rief: „Ich kann den Mann im Flugzeug sehen!“ Da schubste mich Tante Martha in einen Türeingang und sagte: „Bist du sofort still. Nachher schießt er noch auf uns.“

Ein anderes Mal mussten wir nachts in den Bunker und ich sah einen wunderschönen Tannenbaum am Himmel. Mein Vater erklärte mir später, dass das eine Phosphorbombe war.

Wir mussten 1944 ganze 14 Tage im Bunker bleiben. Ich strickte Unterhosen mit Zopf- und Lochmuster, damit ich Beschäftigung hatte. Ich war fünf Jahre alt, und alle haben mich bewundert, weil ich das schon konnte. Tante Martha bekam in dieser Zeit ihre Tochter Helga im Bunker. Ich höre heute noch ihre Schreie „Mama“, aber ich durfte nicht zu ihr.

Als wir aus dem Bunker herauskamen, holte Vater uns ab. Auf der Dorstener Straße brannte die Villa Meiningshaus lichterloh. Das sah unwahrscheinlich aus, und ich konnte es gar nicht fassen. Heute steht dort das Sterkrader Hallenbad. Als wir alle zu Hause waren, kamen zwei Amerikaner und holten meinen Vater ab.

Mein Vater war nicht im Krieg

Er erzählte später, dass sie ihn in einen Bombentrichter an der Fürstenstraße geworfen haben und sagten: „Du Nazi, sprich letztes Gebet.“ Sie standen oben am Rand und richteten eine Pistole auf ihn. Dann erscholl ein Ruf, die Amerikaner drehten sich um und gingen ein Stück zurück. In der Zeit lief mein Vater hinten aus dem Krater heraus und nach Hause, holte seinen Pass und ging zur Kommandantur.

Mein Vater war nicht im Krieg, er war „u.k.“ gestellt, das hieß unabkömmlich, und hielt Wache bei der GHH in Sterkrade. Oft lag er oben auf dem Dach, wenn die Flugzeuge die Bomben abwarfen.

Einmal war es direkt in der Nähe unseres Hauses. Er erzählte, dass sein Herz in die Hose rutschte, weil er solche Angst bekam. Er nahm sich ein Fahrrad und fuhr den Tackenberg herauf.

Das ging sehr langsam, weil die Angst ihm im Nacken saß. Als er unser Haus sehen konnte, sah er mich (ca. 1944) auf die Straße rennen. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht, weil er so erleichtert war. Dann war eine Bombe in unserem Garten eingeschlagen und ich heulte Rotz und Wasser, weil mein Teddybär darin lag. Alle Fenster im Haus waren kaputt. Durch den großen Luftdruck muss der Bär wohl aus dem Haus gezogen worden sein.