Oberhausen. Karl Weinert lebt noch immer in seinem Elternhaus an der Straßburger Straße in Oberhausen. Als Kind hat er dort den Zweiten Weltkrieg erlebt – zuerst als einen großen Spielplatz, „später habe ich das anders gesehen“, resümiert der agile 80-jährige Oberhausener heute traurig.

Die meiste Zeit seines Lebens hat Karl Weinert in seinem Elternhaus an der Straßburger Straße 164 gelebt. Auch wenn der agile 80-Jährige während seines Berufslebens als Bauingenieur und als Hobby-Pilot ganz schön in der Welt rumgekommen und auch heute noch viel unterwegs ist – zum Beispiel organisiert er Wanderungen auf Mallorca – so ist das Gebäude im Schladviertel, die Grundmauern stammen aus dem Jahr 1898, sein Heimathafen.

Und der hat die Bombenangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg halbwegs unbeschadet überstanden, auch wenn die Einschläge bedrohlich nahe kamen.

Jagdflieger als Helden

Dass der Volksempfänger, das Einheits-Radiogerät damals in deutschen Haushalten, im September 1939 den Einmarsch in Polen verkündete, daran „erinnere ich mich noch wie heute“, sagt Karl Weinert. Er erinnert sich auch daran, wie aufregend und abenteuerlich die Kinder, er und seine Freunde, anfangs den Krieg und die Bombenangriffe fanden. „Wir sind rausgerannt und haben Granatsplitter gesucht, ich habe die in einer Dose gesammelt und getauscht“, erzählt Karl Weinert.

Die deutschen Jagdflieger waren Vorbilder, ja Helden, so wollten die Jungs auch werden. Bei einem Angriff auf Oberhausen haben Flakgeschütze „einen feindlichen Piloten runtergeholt an der Zeche Roland, das Wrack lag da, aber wir durften als Kinder nicht hingehen“, erinnert sich Weinert. Die Kinder vernahmen stolz die Zahlen der abgeschossenen Flugzeuge, „später habe ich das anders gesehen“, resümiert der Oberhausener traurig.

Jeden Abend in den Bunker

Trauer ergreift den 80-Jährigen auch, wenn er an die jüdische Familie denkt, die im Anbau seines Elternhauses wohnte. Da gab es die Flucht ins heutige Israel. Die Großmutter wurde kurz vor Kriegsende noch ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, „aber sie ist wiedergekommen“.

Abenteuer und Aufregung wichen, je länger der Krieg dauerte und umso heftiger die Angriffe aufs Ruhrgebiet ab 1943 wurden, der Angst. „Das wurde immer schlimmer“, sagt Karl Weinert, „abends habe ich gezittert“. Diente vorher das Gewölbe des Elternhauses als Luftschutzkeller, so versuchte seine Mutter für ihn und seinen Bruder nun einen Platz im Bunker zu bekommen, „das war nicht selbstverständlich. Gegen sieben Uhr abends zogen wir dann immer mit einem Köfferchen, in dem das Nötigste drin war, los in den Bunker.“

Nachbarhaus lag in Trümmern

Eine ganz schlimme Nacht war die von Ostersonntag auf Ostermontag 1943. Der Bunker hat nur ein bisschen gewackelt und auch das Elternhaus blieb verschont, „wir haben sehr großes Glück gehabt“, ein Phosphorkanister fiel auf die Wiese hinter dem Haus, gegenüber dem Haus war ein riesiger Bombentrichter, keine Scheibe war mehr heil, Möbel beschädigt, aber das war vergleichsweise wenig.

Loren schafften die Trümmer weg

Im Dezember 1945 kehrte Karl Weinert mit seiner Mutter und seinem Bruder aus dem Hunsrück nach Oberhausen zurück. Weinert erinnert sich, dass es eisig kalt war und dass dort, wo vorher die Johanneskirche gestanden hatte, „alles flach war“.

Mit Loren wurden die Trümmer aus der Stadt zum Beispiel zur Rolandhalde gebracht. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln war zu der Zeit nicht einfach, „es wurde gehamstert, um 5 Uhr morgens mit dem ersten Zug“ ging’s aufs Land, um etwas zu essen zu besorgen. Ab 1946 besuchte Karl Weinert wieder ein Gymnasium in Oberhausen, das war auch schon im Hunsrück so gewesen, dort musste er noch sechs Kilometer bis zum Bahnhof laufen und dann in die nächstgrößere Stadt fahren.

Denn das Haus nebenan war nur noch ein Trümmerhaufen, „die Frau, die Nachbarin kam morgens dahin, und der Mann war nicht mehr da“, sagt Karl Weinert mit Tränen in den Augen. Seine Mutter, sein Bruder und er flohen im Juli ‘43 zu Verwandten in den Hunsrück.