Oberhausen. . Bei ihnen blühen Jugendliche so richtig auf: Schüler aus der achten Klasse stülpen ein Kondom über ein Penismodell oder stellen Fragen zu Verhütung und Homosexualität – ganz ohne Hemmung. Genau das ist das Ziel der Pro Familia-Mitarbeiter. Sie vermitteln Sexualkunde in den Schulen.

Bei ihnen blühen Jugendliche so richtig auf: Schüler aus der achten Klasse stülpen ein Kondom über ein Penismodell oder stellen Fragen zu Verhütung und Homosexualität – ganz ohne Hemmung. Genau das ist das Ziel der Pro Familia-Mitarbeiter. Daher kommen viele Lehrer aus Oberhausens Schulen auf sie zu, um Termine und Klassenbesuche zu vereinbaren.

„Ab einem gewissen Alter ist es sinnvoll, wenn die Schüler über solche Themen nicht mehr mit den Lehrern sprechen, die sie jeden Tag sehen“, findet Biolehrerin Heike May von der Gesamtschule Weierheide. Denn für viele Schüler würde das eine Barriere brechen und zu viel Persönlichkeit preisgeben, vermutet die Lehrkraft. Die Jugendlichen würden dann im Sexualunterricht gehemmt sein. „Bei uns ist es üblich, dass wir in der achten Klasse zu Pro Familia gehen“, gibt die Pädagogin an.

Mädchen fragen: „Pille danach“?

Das Vorgehen: Die Lehrkräfte verabschieden sich für etwa zwei Stunden, während die Jungen und Mädchen getrennt mit den Pro-Familia-Mitarbeitern sprechen und lernen. „So können wir gezielt auf die geschlechtsspezifischen Fragen eingehen“, sagt der Oberhausener Pro-Familia-Leiter Andreas Müller.

Bei den Mädchen spiele in den Gesprächen in der Schule vor allem das Thema „Pille danach“ eine wichtige Rolle, wie Biolehrerin Gertrud Spancken vom Bertha-von-Suttner-Gymnasium sagt. „Die Mädchen drängen oft selbst darauf, dass es sinnvoll wäre, mal zu den richtigen Ansprechpartnern zu gehen, Damit sie wissen, wo sie im Notfall hingegen müssen – der in diesem Alter leider nicht selten eintritt“, sagt die 59-Jährige.

Ebenfalls sehr präsent sei in den achten oder neunten Klassen das Thema Homosexualität. „Gerade auch durch den Erfolg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest sind Themen wie Homosexualität oder Transgender noch stärker von Interesse“, hat Gertrud Spancken erfahren. Bei einigen stoße das Thema aber auf verstörte Reaktionen: „Schüler aus türkischen Familien zum Beispiel wollen sich oft nicht damit beschäftigen oder reagieren ablehnend. Wir versuchen, solche Themen mit Rollenspielen zugänglicher zu machen.“ Die Jungs müssten etwa eine Outing-Szene nachspielen, um ein Gefühl für so eine Situation zu bekommen. „Dabei blühen viele richtig auf.“

Homosexualität gehört dazu

Auch am Sophie-Scholl-Gymnasium wird Homosexualität diskutiert. Biolehrerin Sandra Gruschkuhn: „Das gehört mittlerweile zum täglichen Geschäft. Transgender-Themen und Homosexualität werden bei uns ganz neutral behandelt. Statistiken zufolge sind etwa zehn Prozent homosexuell, dazu kommt noch die Dunkelziffer. Das gehört also irgendwie dazu und sollte besprochen werden“, findet sie. Die Schüler würden auch aktiv danach fragen. „Wir haben eine Box, in die die Kinder ihre Fragen anonym hineinlegen können und wir klären sie dann gemeinsam“, sagt die 32-Jährige. Im Sexualunterricht müsse sehr darauf geachtet werden, dass eine solche Distanz gegeben ist.

Doch nicht nur in den achten und neunten Klassen wird auf „fremde Hilfe“ zurückgegriffen, wie die Lehrkräfte erzählen. In der sechsten Klasse findet an allen drei Schulen ebenfalls Sexualunterricht statt.

Die Grundkenntnisse zu Menstruation, Verhütung und Geschlechtsverkehr werde mit Hilfe von Filmmaterial gelehrt. Der Film ,Sex – eine Gebrauchsanweisung für Jugendliche’ ist schon sehr freizügig“, meint Gertrud Spancken. Sie findet es aber richtig, dass die Kinder früh an das Thema herangeführt werden. „Es ist nicht so, dass wir uns mit den Themen nicht auskennen. Aber für die Schüler ist es weniger beschämend, wenn sie dies von Experten erklärt bekommen.“