Oberhausen. . Am kommenden Sonntag wird auch der Integrationsrat neu gewählt. Er ist die Interessenvertretung für rund 28 000 Oberhausener mit Zuwanderungsgeschichte. Die NRZ sprach mit Geschäftsführer Ercan Telli über Erfolge und Perspektiven des Gremiums.

Rund 28 000 Oberhausenerinnen und Oberhausener, die mindestens 16 Jahre alt sind und eine Zuwanderungsgeschichte haben, sind am kommenden Sonntag, 25. Mai, zur Wahl des Integrationsrates aufgerufen.

Die Beteiligungsraten sind schon traditionell schwach, liegen in Oberhausen aber deutlich höher als im Landesdurchschnitt – zuletzt bei 15,51 Prozent gegenüber 11,83 Prozent. „Das ist natürlich immer noch viel zu gering“, beklagt auch Ercan Telli, Geschäftsführer des Integrationsrates im Gespräch mit der NRZ.

NRZ: Erscheint der Integrationsrat als nicht attraktiv genug? Warum ist die Wahlbeteiligung so gering?

Ercan Telli: Beim ersten Mal lag die Quote um 20 Prozent, seither geht sie zurück. Das ist sehr bedauerlich und hat einen wesentlichen Hintergrund: Der Integrationsrat hat keinen Beschlusscharakter, sondern lediglich unterstützende und beratende Funktion. Unser Ziel bleibt das kommunale Wahlrecht für alle, doch der Weg dahin ist mühsam.

Auch die Zahl der Gruppen, die sich zur Wahl stellen, ist rückläufig.

Telli: Das sieht nur so aus. Allein eine Gruppierung, nämlich die „Internationale Liste/Türkisch-Muslimische Liste“ ist sehr breit aufgestellt. Daneben kandidieren „Demokratische Immigranten“ und die „United Nations of Africa for Oberhausen“.

Machen die Türken wieder „ein eigenes Fass auf“?

Telli: Das kann man so nicht sagen, denn die erwähnte Liste ist eigentlich eine Koalition in sich und offen für alle Nationalitäten und Religionsgemeinschaften. Man muss allerdings feststellen, dass Türken eine eigentlich als „deutsch“ geltende Eigenschaft haben: Sie sind ausgesprochene Vereinsmeier und neigen nicht nur dazu, für alles Mögliche einen Klub zu gründen, sondern bringen sich auch gern aktiv ein. Abgesehen davon: Der Integrationsrat betreibt auf gar keinen Fall Politik für eine besondere Klientel.

In der Türkei geboren

Ercan Telli ist 43 Jahre alt und in der mittelanatolischen Stadt Kayseri geboren. „Schinkenstadt“ schmunzelt er über seinen Geburtsort, denn Kayseri ist berühmt für die Spezialität „Pastirma“, eine Art Rauchfleisch.
Als Elfjähriger kam er nach Oberhausen, machte Abitur und studierte in Bochum Jura.
Seit 1998 ist Ercan Telli Deutscher – die doppelte Staatsbürgerschaft war damals noch nicht möglich.
Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Seit neun Jahren ist er hauptamtlicher Geschäftsführer des Integrationsrates. Zusätzlich engagiert sich Telli in der SPD (Ratsmitglied und -kandidat, Sozialpolitischer Sprecher und Vorsitzender des Ortsvereins OB-Mitte) und in verschiedenen Initiativen und Vereinen.

Sie wurden kürzlich zitiert, dass der Integrationsrat überflüssig wäre...

Telli: Ideal wäre es, wenn der Integrationsrat überflüssig wäre, denn dann wären alle Fragen und Problemstellungen rund um das Thema Integration gelöst. So habe ich das gesagt und gemeint. Jede andere Interpretation ist einfach nur böswillig. Viele Einwanderer fühlen sich emotional ausgegrenzt, wenn ihre Stimme nur für ein Gremium zählt, das Hilfestellung leistet zur Teilhabe am politischen Zusammenleben aller.

Kommunalwahlen 2014Nicht an der Wahl teilzunehmen, wäre...

Telli: . . . wäre absolut schädlich! Man muss doch auch sehen, dass wir einiges erreicht haben. Vor allem darf man den Prozess, der zum großen Ziel führt, nicht aus den Augen verlieren.

Was hat der Integrationsrat erreicht?

Telli: Die Themen Integration und Chancengleichheit haben es mittlerweile in den Kreis der Top-Themen Oberhausener Kommunalpolitik gebracht. Alle Parteien, alle gesellschaftlichen Gruppen, Gewerkschaften wie Sportvereine, haben sich dieser Themen angenommen und wissen mittlerweile, dass die Zuwanderung und die Integration der Zugewanderten ein ungeheures Chancenpotential birgt. Rechnerisch gesehen, hat beinahe jedes zweite Kind, das in Oberhausen geboren wird, Migrationshintergrund!

Das ist schon seit einiger Zeit so, aber wird nicht immer richtig eingeschätzt?

Telli: Das muss in die Köpfe aller! Nahezu jeder DAX-Konzern hat in der Spitze mittlerweile „Ausländer“, aber im öffentlichen Dienst, in Verwaltung und Polizei, sind sie immer noch deutlich unterrepräsentiert. Auch darauf muss immer wieder hingewiesen werden, auch dazu ist der Integrationsrat da.