Oberhausen. . Ercan Telli ist der neue Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Mitte. Über Multikulturalität in der Partei und die Weiterentwicklung der City äußert er sich im Gespräch mit der Redaktion.
Ercan Telli (43) ist zum Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Oberhausen-Mitte gewählt worden. Sein Vorgänger Michael Pütz, der das Amt nur wenige Monate inne hatte, war aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Im Interview spricht der zweifache Vater, der im Hauptberuf Geschäftsführer des Integrationsrats ist, über Kritik aus den eigenen Reihen und einen Wahlkampf ohne Spitzenkandidat.
Ihre bisherige Aufgabe war die des Organisationsbeauftragten – Was ist das und wer macht es jetzt?
Ercan Telli: Der Organisationsbeauftragte ist für Wahlkämpfe und Veranstaltungen zuständig, besorgt Infostände und Material. Ich mache das weiter, wobei es eh immer im Team erledigt wurde. Dabei bleibt es auch. Ich werde niemanden aus der Verantwortung entlassen. Jeder muss alles Erdenkliche einbringen – Zeit, Einsatz, Hirnschmalz.
Welche Themen stehen ganz oben auf Ihrer Agenda?
Telli: Die Weiterentwicklung der Unteren Marktstraße ist wichtig. Mit dem Ankauf der Markthallen ist ein Anfang gemacht, wir wollen an dieser Stelle ein Behördenhaus schaffen, um Kaufkraft anzuziehen. Zweitens: barrierefreie Wohnungen in der City. Ältere wollen die Infrastruktur nutzen. Drittens: Kultur. Das Bert-Brecht-Haus wurde wunderbar umgebaut, jetzt müssen wir die Freizeit- und Spielmöglichkeiten verbessern. Deshalb das Jugendzentrum an der Lothringer Straße. Dort soll mit den benachbarten Schulen, dem Familienzentrum, Kindergarten und Hallenbad ein Bildungscarré entstehen.
Was wollen Sie besser machen als Ihre Vorgänger?
Telli: Ich möchte keine Diskussion ersticken, auch kritische Köpfe sollen zu Wort kommen. Weil ich weiß, dass aus Kontroversen Chancen und neue Ideen erwachsen. Ich biete den Dialog an für alle, möchte auf Einrichtungen und Menschen zugehen, Netzwerke bilden, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Was macht Ihr Ortsverein besser als die anderen Ortsvereine?
Telli: Was die Zusammensetzung anbelangt, sind wir am fortschrittlichsten. Wir haben es geschafft, den gesellschaftlichen Mix nicht nur abzubilden, sondern auch auf die Verantwortungsebene zu übertragen. Jung, alt, Mann, Frau, mit und ohne Migrationshintergrund, Freiberufler und Beamte. Das ist das neue Gesicht von Oberhausen und ganz Deutschland: eine weltoffene, multikulturelle Einheit.
Wie sehr ist Ihre Partei enttäuscht davon, dass Klaus Wehling als Oberbürgermeister länger macht als gedacht?
Telli: Er ist gewählt worden bis 2015 und macht davon Gebrauch. Das habe ich zu respektieren.
Aber ist ein Wahlkampf ohne Spitzenkandidat kein Nachteil?
Telli: Eine Herausforderung, die man entsprechend vorbereiten muss.
Wie stehen Sie zu einem Oberbürgermeister-Kandidaten Hartmut Schmidt?
Telli: Schmidt ist eine herausragende Persönlichkeit. Da er aus meinem Ortsverein stammt, ist er für alle Ämter geeignet (lacht). Ich schätze und respektiere ihn. Er ist einer derjenigen, die rechtzeitig Chancen und Potenziale erkennt und für die Stadt nutzbar macht. Ein rundum toller Typ.
Sie stammen selbst aus der Türkei. Welche Rolle spielt der Migrationshintergrund für die SPD?
Telli: Die Mehrzahl der Migranten sympathisiert traditionell mit der SPD, aber das ist längst keine sichere Beute mehr. Wir müssen um diese Menschen werben und kämpfen. Aber so, dass sie sich nicht als zusätzliche Einheit fühlen, sondern als ein Teil des Ganzen. Dafür gibt es bei uns den Arbeitskreis Migration und Vielfalt.
Ist das nicht ein Widerspruch? Ein eigener Arbeitskreis separiert doch nur.
Telli: Im Grunde ist das richtig. Heute sind alle verpflichtet, ganzheitlich zu denken. Inklusion und Integration bedeuten nichts anderes als Chancengleichheit. Doch bis wir soweit sind, brauchen wir Steuerungselemente und auch positive Diskriminierung.
Und am Ende werden alle Arbeitskreise abgeschafft – und auch eine Erfindung wie der Integrationsrat?
Telli: Alles, was strukturelle Benachteiligung auf Dauer fördert, gehört auf den Prüfstand. Dazu gehören auch soziale und politische Einrichtungen.