Oberhausen. Dirk Paasch hat insgesamt 15 Jahre die Arbeit im Rat der Stadt Oberhausen mitgestaltet. Am Montag wird der mittlerweile fraktionslose Linke zum letzten Mal aktiv an einer Sitzung des Stadtparlaments teilnehmen

Gezählt hat er die Ratssitzungen nicht, an denen er in 15 Jahren teilgenommen hat und dabei nie teilnahmslos war: „Nein“, sagt Dirk Paasch, „ohne mitzureden würde ich nirgendwo sitzen. Deswegen überlege ich mir auch, ob ich noch eine Ratssitzung besuchen werde.“ Zögern, kurze Pause. „Ach, wahrscheinlich doch. Es ist einfach zu interessant.“ Dirk Paasch ist 57 Jahre alt und seit drei Jahren fraktionsloser Stadtverordneter. Am kommenden Montag endet die Ratsperiode, am kommenden Montag endet seine Tätigkeit im Rat – bestimmt nicht ohne Worte.

Fünfzehn Jahre (1984-1989 und 2004-2014) im Rat, das ist – auch wegen genau dieser Perioden – ein beachtliches Stück Zeitgeschichte: 1984 ist Dirk Paasch 27 Jahre alt und der erste Kommunist im Rat der Stadt Oberhausen seit knapp drei Jahrzehnten. Das DKP-Mitglied hatte sich mit Reiner Lombard (Demokratische Sozialisten), Friedrich-Wilhelm Maaßen und Harald Mann (Grüne) zusammengetan: Bunte Liste heißt das kritisch beäugte Projekt, das sich beachtlich schlägt: Die Sanierung von Lirich-Nord (statt Komplettabriss) und „Giftmüll“ sind große Themen jener Zeit, und Paasch weiß sein Wort zu führen.

Viel Ärger, aber auch Zuspruch

Das ist nur zu verstehen mit der Vorgeschichte: „Als ich 16 war und Auszubildender bei der Babcock-Tochter Blass, war ich Jugendvertreter und sorgte für Palaver.“ Weil er indirekt die Schließung der Kantine zu verantworten hatte: „Zwei Fachkräfte fehlten, Azubis sollten den Betrieb machen. Ich habe gesagt, das ist ausbildungsfremd, die Unternehmensleitung hat die Kantine geschlossen und der Belegschaft mitgeteilt, dass ich die Schuld trüge.“ Das trug ihm viel Ärger ein, aber auch Zuspruch.

Aufmerksam geworden war vor allem der örtliche Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Willi Haumann. Der, charismatischer Sozialdemokrat, erkannte das große Talent des widerborstigen und frechen „Sauhundes“, wie er Paasch bisweilen – mit respektvollem Unterton und fast liebevoll – nannte.

Der „Sauhund“ wurde zwar Gewerkschafter – für „Handel, Banken und Versicherungen“ (HBV) – und stieg bei Blass zum freigestellten Betriebsratsvorsitzenden auf, wurde aber nie Sozialdemokrat. „Willi Haumann und der damalige Metaller Heinz Schleußer sind heute noch ganz Große für mich. Ich bin aber orthodoxer Marxist. Ich habe viel gelesen, was vielleicht ein Fehler ist. Meine politische Grundüberzeugung bleibt die, dass es den grundlegenden Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit gibt. Dass die SPD keine sozialistische Alternative bietet.“

Die suchte der junge Paasch über Jahre in der DDR, von der er heute sagt: „Der Zusammenbruch beschäftigt mich noch immer. Die haben einfach die Menschen nicht mitgenommen. Vor 1989 war es piefig und verklemmt geworden.“

Verklemmt, das war Dirk Paasch nicht. Jeden Tag mit Vollgas Politik und Spaß am Leben, und dann geht ein System kaputt: „Ab 1989 löste sich einfach alles auf.“ Paasch war so kaputt wie das System, stieg ab in eine jahrelange auch gesundheitliche Auszeit.

Links, kritisch, alles in Frage stellend

Zu Beginn des neuen Jahrtausends war er wieder da. Die Initiative „attac“ war sein neuer Inhalt: links, kritisch, alles Bestehende in Fragen stellend. Der Weg zur PDS war nicht weit. „Aus der DKP bin ich nie ausgetreten, aber die gab’s für mich irgendwie nicht mehr“, und seit 2004 ist Paasch wieder im Rat der Stadt. Erst in der Fraktion „Linke Liste“, dann „Die Linke“, seit drei Jahren fraktionslos – weil „Die Linke“ sich schwer damit tat, dass ihr über Parteigrenzen hinweg beachtetes Aushängeschild mehr wusste als der Rest der Fraktion, Paasch: „Das war immer mein Fehler: Ich lese zu viel, daher weiß ich zu viel.“

Dass er immer wusste, was die Verwaltung so in Beschlussvorlagen schrieb, nervte. Mal die Verwaltung, die sich korrigieren musste, mal die Mehrheit von Rot-Grün, weil sie sah, dass da einer die bessere Idee hatte, speziell aber die weniger gut informierten eigenen Genossen. Letzteres würde Paasch aber nie sagen, weil: „Ich werde meinen Ideen nicht untreu. Ich wollte immer unsere Ideen auch im parlamentarischen Raum umsetzen, andere manchmal nicht so.“

Die Sache mit der Umsetzung ist ihm bisweilen gelungen: Den „Oberhausen-Pass“ darf er sich anrechnen („Geht aber nicht weit genug“), das Scheitern der Kanalnetz-Privatisierung ist auf Paasch zurückzuführen – und er sieht Unerledigtes, Liegengebliebenes: „Die hohen Dispozinsen der Sparkasse? Die Umbenennung der Paul-Reusch-Straße?“, fragt er nach.

Vielleicht bekommt er noch den Ehrenring der Stadt, wie er nach 15 Jahren Ratsmandat üblich ist. Sicher ist er ein Stück Zeitgeschichte.