Oberhausen. Als ihr Sonnenschein fast zwei Jahre alt war, erfuhren die Eltern von der seltenen Erkrankung ihrer Tochter. Die Kleine ist wohl die einzig Betroffene in Oberhausen. Vielleicht, weil das Syndrom oft nicht erkannt wird.
Lea sitzt auf der Couch und strahlt. Der kleine Blondschopf scheint zu wissen, dass es beim Gespräch mit Mama und Papa um sie geht. Lea lacht, reckt die Hände in die Luft, beobachtet. Sie ist knapp zwei Jahre alt und ein Sonnenschein.
Als Lea geboren wurde, war für Petra und Marcel Moroni die Welt noch in Ordnung. Nichts wies darauf hin, dass ihr Wunschkind am Angelman-Syndrom leidet. Das haben ihre Eltern gerade erst erfahren. In Oberhausen ist sie wohl die einzige Betroffene. Weil die Erkrankung häufig gar nicht oder erst sehr spät erkannt wird, wollen die Eltern jetzt darauf aufmerksam machen.
Zweite Gen-Untersuchung führte erst zur Diagnose
Als sich Lea mit sechs Monaten nicht drehen konnte, registrierte Petra Moroni das zwar, machte sich aber keine Sorgen. „Jedes Kind hat seinen Rhythmus“, beruhigte sie sich. Doch dann fiel ihr auf, dass Lea die rechte Hand stets mit der linken unterstützte. „Ich erwähnte das bei der nächsten Vorsorgeuntersuchung“, erinnert sich die 31-Jährige. Die Kinderärztin überwies die Eltern sofort zum Sozialpädiatrischen Zentrum.
Dort wurde Lea gründlich untersucht. „Das EEG, also die Messung der Hirnströme, zeigte Auffälligkeiten, deshalb verwies man uns an die Uni-Klinik Essen“, erzählt Marcel Moroni. Eine Blutprobe seiner Tochter ging an die Humangenetik. Hier informierte man die Eltern zunächst: „Alles in Ordnung.“ Erst eine zweite genetische Untersuchung, die eher zufällig gemacht wurde, „weil noch Blut übrig war“, brachte es schließlich ans Licht: „Lea hat das Angelman-Syndrom.“
Elterninitiative bietet Telefonbereitschaft für Betroffene
1993 schlossen sich bundesweit 13 Eltern von Kindern mit Angelman-Syndrom zu einer Selbsthilfeinitiative zusammen. Heute sind darin über 400 Familien aktiv, die sich auf dem Weg zwischen Diagnose, Ärzten und Therapeuten gegenseitig unterstützen.
Die Initiative besteht aus sechs Regionalgruppen. Unter der Rufnummer 0800-26435626 erreichen Betroffene von Montag bis Donnerstag zwischen 19 und 21 Uhr eine kostenlose Telefonbereitschaft von Eltern für Eltern. Weitere Info gibt es im Internet unter www.angelman.de
Symptome oft missinterpretiert
Das Angelman-Syndrom beruht auf einer angeborenen genetischen Veränderung im Bereich des Chromosom 15. „Die Erkrankung ist sehr selten, tritt nur bei einem von rund 30.000 Neugeborenen auf und ist bislang nicht heilbar“, wissen die Eltern inzwischen.
Typisch für dieses Syndrom ist eine starke Veränderung der körperlichen und geistigen Entwicklung und das Ausbleiben von Sprache. Bei den meisten Kindern wird es sehr spät erkannt. „Denn viele Ärzte deuten die ersten Symptome eher als autistische Entwicklungsstörung, damit aber geht wertvolle Zeit verloren“, erfuhren die Eltern bei einer bundesweit tätigen Selbsthilfegruppe. Wie alle Angelman-Kinder ist Lea ein besonders fröhlicher Mensch, sie lacht gerne.
Verhalten nun besser einschätzbar
Sie wird nie sprechen können, aber sie versteht. Mit Hilfe der Gebärdensprache soll sie nun lernen, sich mitzuteilen. Um ihre Beweglichkeit zu verbessern, erhält sie zweimal wöchentlich Krankengymnastik. „Unsere Tochter wird auf dem Stand eines Kleinkindes bleiben“, weiß Petra Moroni. Für die Eltern bedeutet das: „Sie benötigt ihr Leben lang Betreuung.“ Lea wird sich nie selbst versorgen oder Gefahren erkennen können. Ein tiefer Einschnitt in das Leben der Familie.
Und dennoch: „Als der Schock überstanden war, habe ich mich meiner Tochter so nah gefühlt wie selten zuvor“, erzählt Marcel Moroni. Er verstehe ihre Verhaltensweisen jetzt, könne ihre Reaktionen besser einordnen.
Die Eltern sagen: „Leas Schicksal schweißt uns als Familie noch mehr zusammen.“ Petra Moroni ist gelernte Altenpflegerin. Wenn Lea in den Kindergarten kommt, wird sie wieder arbeiten gehen. Das Leben geht weiter.