Oberhausen. Michael Etges und Peter Kaup haben auf den Philippinen nach dem Taifun „Haiyan“ ein Bild der Zerstörung gesehen. 1500 Opfern konnten sie gemeinsam mit ihrem Team helfen - die Hälfte davon waren Kinder.

„Die Wellbleche von den Hütten sind quasi wie Klingen durch die Gegend geflogen und haben viele Menschen verletzt.“ Anschaulich beschreibt der Oberhausener Arzt Michael Etges, mit welcher Art von Wunden er es bei seinem Hilfseinsatz auf den Philippinen nach dem Taifun „Haiyan“ vorwiegend zu tun hatte. In der stark zerstörten Küstenstadt Tacloban behandelten er und sein Oberhausener Kollege Dr. Peter Kaup mit ihrem Team von der Duisburger Hilfsorganisation „International Search and Rescue“ (I.S.A.R.) insgesamt 1500 Taifun-Opfer – etwa die Hälfte davon waren Kinder.

Szenen großer Zerstörung

„Von der Zerstörung war es mindestens so schlimm wie auf Haiti 2010 nach dem verheerenden Erdbeben“, zieht Etges Parallelen zu seinem vorherigen I.S.A.R.-Einsatz. Bei dem Anblick der verwüsteten 200.000-Einwohnerstadt auf den Philippinen habe er zudem unweigerlich an Filmaufnahmen von den zerbombten Städten Hamburg oder Dresden im Zweiten Weltkrieg denken müssen, so der 50-Jährige.

Als erstes ausländisches Medizin-Team waren Etges und seine deutschen Begleiter vorletzte Woche in Tacloban eingetroffen und hatten dort die Arbeit des einzigen noch in Teilen funktionsfähigen Krankenhauses unterstützt. Viele Fleischwunden – die meisten seit Tagen unversorgt – bekamen sie dabei im provisorischen Lazarett zu sehen. „Einem Opfer war das halbe Gesäß durchtrennt worden“, erinnert sich Etges an einen besonders drastischen Fall.

ISAR-Hilfseinsatz nach Taifun Haiyan

Der kleine Carl-David hat im ISAR Feldlazarett in Palo das Licht der Welt erblickt.
Der kleine Carl-David hat im ISAR Feldlazarett in Palo das Licht der Welt erblickt. © ISAR Germany
Freudig wurden die Helfer bei der Rückkehr im Empfang genommen.
Freudig wurden die Helfer bei der Rückkehr im Empfang genommen. © ISAR Germany
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Rückkehr am 21. November.
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Rückkehr am 21. November. © ISAR Germany
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Rückkehr am 21. November.
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Rückkehr am 21. November. © ISAR Germany
Freudig wurden die Helfer bei der Rückkehr im Empfang genommen.
Freudig wurden die Helfer bei der Rückkehr im Empfang genommen. © ISAR Germany
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Begrüßung.
Viele Küsschen und Umarmungen gab es für die Helfer bei der Begrüßung. © ISAR Germany
15 Helfer sind wieder von den den Philippinen zurück.
15 Helfer sind wieder von den den Philippinen zurück. © ISAR Germany
Bei der Rückkehr werden die Helfer von ihren Familien begrüßt.
Bei der Rückkehr werden die Helfer von ihren Familien begrüßt. © ISAR Germany
Die erste Gruppe von Helfern ist am 21. November wieder in Frankfurt gelandet.
Die erste Gruppe von Helfern ist am 21. November wieder in Frankfurt gelandet. © ISAR Germany
Seit dem Aufbau des Feldlazaretts in Palo hat das Team der Hilfsorganisation ISAR Germany bereits mehr als 500 Patienten (Stand Sonntagmittag) behandelt.
Seit dem Aufbau des Feldlazaretts in Palo hat das Team der Hilfsorganisation ISAR Germany bereits mehr als 500 Patienten (Stand Sonntagmittag) behandelt. © ISAR Germany
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Maik Späth im Einsatz.
Maik Späth im Einsatz. © ISAR Germany
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EU-Kommissarin Georgiewa Kristalina zu Besuch am Behandlungsplatz in Palo.
EU-Kommissarin Georgiewa Kristalina zu Besuch am Behandlungsplatz in Palo. © ISAR Germany
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Die Hilfsorganisation ISAR Germany hatte nach dem Taifun Haiyan bereits am 9. November ein medizinisches Hilfsteam auf die Philippinen geschickt. Nachdem das Team in Manila angekommen war, saß es dort zunächst fest. Mittwochnachmittag, vier Tage nach der Alarmierung kam das Team endlich im Katastrophengebiet an. Hier sind die Helfer gerade auf dem Weg zu einer Maschine der US Airforce, die sie und ihr Material nach Tacloban bringt.
Die Hilfsorganisation ISAR Germany hatte nach dem Taifun Haiyan bereits am 9. November ein medizinisches Hilfsteam auf die Philippinen geschickt. Nachdem das Team in Manila angekommen war, saß es dort zunächst fest. Mittwochnachmittag, vier Tage nach der Alarmierung kam das Team endlich im Katastrophengebiet an. Hier sind die Helfer gerade auf dem Weg zu einer Maschine der US Airforce, die sie und ihr Material nach Tacloban bringt. © ISAR Germany
Einsatzleiter Michael Lesmeister berichtet in einer ersten Reaktion nach der Ankunft in Tacloban von unvorstellbaren Verwüstungen.
Einsatzleiter Michael Lesmeister berichtet in einer ersten Reaktion nach der Ankunft in Tacloban von unvorstellbaren Verwüstungen. © ISAR Germany
"Es war noch nie so schwer, in ein Einsatzgebiet zu gelangen", so der 46-Jährige, der schon nach zahlreichen Naturkatastrophen weltweit im Einsatz war. © ISAR Germany
Mit einem Hubschrauber erkundet das ISAR-Team sein Einsatzgebiet in der Stadt Palo, die wenige Kilometer von Tacloban liegt.
Mit einem Hubschrauber erkundet das ISAR-Team sein Einsatzgebiet in der Stadt Palo, die wenige Kilometer von Tacloban liegt. © ISAR Germany
"Die Lage in der Stadt Palo ist bisher ruhig", berichtet Einsatzleiter Michael Lesmeister. "Dennoch wird der Behandlungsplatz vom philippinischen Militär gesichert". Die Stadt Palo liegt auf der Insel Leyte, rund zehn Kilometer von Tacloban entfernt. Die Stadt hat rund 63.000 Einwohner.  © ISAR Germany
Neben der Kathedrale der Erzdiözese Palo hat das Team sein Feldlazarett aufgebaut. Hier können täglich bis zu 100 Patienten behandelt werden.
Neben der Kathedrale der Erzdiözese Palo hat das Team sein Feldlazarett aufgebaut. Hier können täglich bis zu 100 Patienten behandelt werden. © ISAR Germany
Das Gotteshaus wurde durch den Super-Taifun großflächig zerstört.
Das Gotteshaus wurde durch den Super-Taifun großflächig zerstört. © Wolfgang Rattay/Reuters
Twin towers of the Metropolitan Cathedral of the Archdiocese of Palo are seen through a devastated roof, in the aftermath of the Super Typhoon Haiyan in the Central Philippines city of Palo
Twin towers of the Metropolitan Cathedral of the Archdiocese of Palo are seen through a devastated roof, in the aftermath of the Super Typhoon Haiyan in the Central Philippines city of Palo © Wolfgang Rattay/Reuters
A silhouette of a statue of Jesus Christ is seen in the aftermath of super typhoon Haiyan in the Central Philippine city of Palo
A silhouette of a statue of Jesus Christ is seen in the aftermath of super typhoon Haiyan in the Central Philippine city of Palo © Wolfgang Rattay/Reuters
Noch während des Aufbaus des Feldlazaretts erblickte
Noch während des Aufbaus des Feldlazaretts erblickte "Jolanda" das Licht der Welt. Das Mädchen und die Mutter sind wohlauf. Krankenschwester Ingeborg Wortmann unterstützte die Mutter bei der Geburt. © ISAR Germany
Inzwischen kommen ununterbrochen Patienten zum Behandlungsplatz von I.S.A.R. Germany.
Inzwischen kommen ununterbrochen Patienten zum Behandlungsplatz von I.S.A.R. Germany. © Wolfgang Rattay/Reuters
Die Bürgermeisterin von Palo informierte sich im Lazarett über die Arbeit des Hilfsteams aus Deutschland.
Die Bürgermeisterin von Palo informierte sich im Lazarett über die Arbeit des Hilfsteams aus Deutschland. © ISAR Germany
Der medizinische Leiter Thomas Laackmann berichtet:
Der medizinische Leiter Thomas Laackmann berichtet: "Wir haben es hier mit ähnlichen Verletzungen wie nach dem schweren Erdbeben 2010 in Haiti zu tun. © Wolfgang Rattay/Reuters
Hauptsächlich sind Schädel-Hirn-Traumata, Superinfektionen von Wunden und Knochenbrüche zu behandeln.
Hauptsächlich sind Schädel-Hirn-Traumata, Superinfektionen von Wunden und Knochenbrüche zu behandeln." © Wolfgang Rattay/Reuters
Eine Erste-Hilfe-Station schickt die schwereren Fälle zu dem Team aus Deutschland.
Eine Erste-Hilfe-Station schickt die schwereren Fälle zu dem Team aus Deutschland. © ISAR Germany
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Medical personnel treat a woman who fainted in the aftermath of super typhoon Haiyan at Tacloban airport
Medical personnel treat a woman who fainted in the aftermath of super typhoon Haiyan at Tacloban airport © Wolfgang Rattay/Reuters
Diese kleine Zeltstadt ist Anlaufstelle für die Taifun-Opfer in Palo.
Diese kleine Zeltstadt ist Anlaufstelle für die Taifun-Opfer in Palo. © ISAR Germany
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Das Team am Flughafen Frankfurt am 9. November. Die 24 Mitglieder kommen aus mehreren Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein).
Das Team am Flughafen Frankfurt am 9. November. Die 24 Mitglieder kommen aus mehreren Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein). © ISAR Germany
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Er und die 23 Ärzte, Pfleger und Rettungsassistenten von I.S.A.R. hatten also alle Hände voll zu tun: desinfizieren, nähen und verbinden von morgens bis abends. „Da es nachts eine Ausgangssperre gab, waren unsere Arbeitszeiten vorgegeben“, so Etges, der in der Woche, in der er vor Ort war, aber auch nicht allen Patienten direkt weiterhelfen konnte. „Beispielsweise war da jemand, der brauchte etwas gegen Bluthochdruck. Da mussten wir leider passen.“ Denn unter den zwei Tonnen an mitgebrachten Medikamenten – vorwiegend Schmerzmittel und Antibiotika – war eben nicht alles vorhanden.

Beeindruckende Geduld

WAZ-Spendenaktion 2013Was den Sterkrader Mediziner stark beeindruckt hat, war die schier unendliche Geduld seiner asiatischen Patienten. „Die standen verletzt in der sengenden Sonne oder im strömenden Regen, aber keiner hat sich beschwert.“ Fast grenzenlos war auch die Dankbarkeit: Selbst einen Tag nach der Behandlung – als er mit einem Kamerateam auf dem Weg zur Live-Schalte im ARD-Morgenmagazin war – prasselten Danksagungen der Patienten vom Vortag auf ihn nieder.

Nachdem mittlerweile der Arbeiter-Samariter-Bund die Arbeit der I.S.A.R. vor Ort weiterführt, wünscht er den Taifun-Opfern vor allem, dass sich die Nahrungsmittelsituation verbessert. „Es gab oft Klagen der Menschen, dass sie nur sporadisch etwas zu essen bekommen“, so Etges, der andeutet, dass es auch an der Infrastruktur und einem klaren politischen Willen mangelt. „Deshalb ist es ist wichtig, dass der Druck auf den Präsidenten hochgehalten wird, damit er alles, was in seiner Macht steht, tut.“

Wie sehr das Schicksal der Taifun-Opfer die Oberhausener berührt, merkt Etges täglich. „Manche Patienten entschuldigen sich, dass sie mit ihren kleinen Wehwehchen kommen“, schmunzelt Etges. „Das muss aber nicht sein.“