Oberhausen.
Drei Wochen vor der Bundestagswahl und wenige Stunden vor dem gestrigen TV-Duell Merkel vs. Steinbrück gab es beim Sommerfest der SPD im Kaisergarten Rückenwind für die Sozialdemokraten – zumindest von der Bühne aus.
Dort schwor eine redegewandte Landeschefin Hannelore Kraft (SPD) die Menge ein. Unten, an den bunten Ständen, gab es so manche Kritik aus den eigenen Reihen.
Die Rolle der Frau in der SPD
„Zu wenige Frauen in Spitzenpositionen“, bemängelt Ute Jordan-Ecker, die hinter einer Cupcake-Vitrine am Stand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen steht. Keine einzige SPD-Dezernentin gebe es in der Stadt – „und in den Ortsvereinen fast nur Männer“. Das habe mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft zu tun, damit, dass Familienzeiten immer noch Frauenzeiten seien und diese nicht an Veranstaltungen teilnehmen könnten. Sie wünscht sich von ihrer Partei, mehr auf die Frauenförderung zu gucken, und von allen: „den Genderblick“. Dennoch habe die SPD bessere Ideen zum Thema als die Konkurrenz.
Die Senioren auf den Bierbänken der IG Metall haben solche Diskussionen hinter sich gelassen, scheint es. Sie treibt nun anderes um: „Dass die Stadt sich nicht um die Baumscheiben kümmert“, zum Beispiel. „Da wuchert das Unkraut hoch“, beschwert sich Günter Wienert (78). Am evangelischen Krankenhaus sei es besonders schlimm. Vor lauter Wut über das ungezügelte Grün holt er gleich zum Rundumschlag aus: „Die lügen alle“, sagt er über die Politiker. „Egal, wer das ist. Die lügen, dass einem die Ohren abfallen.“ Nur der Oberbürgermeister kommt bei dem Rentner gut weg: „Der Wehling ist einer zum Anfassen, schon ewig.“
Schwere Vorwürfe
Andere zeigen sich versöhnlicher. „Keine Partei ist vollkommen“, sagt Herbert Schrötter, 75 Jahre alt und Genosse seit 35 Jahren. Aber das Wesentliche, das stimme nach wie vor bei der SPD. Manfred Trabka (77) präzisiert: „Das ist eine Partei für die Arbeiter, für das kleine Volk.“
Als die Männer weg sind und die Frauen unter sich, ändert sich der Ton. Lieselotte Brosch (76), Renate Schrötter (74) und Helga Trabka (76) machen den politischen Verantwortlichen in der Stadt schwere Vorwürfe: die Innenstadt eine Katastrophe, der Markt unbelebt und Angst einflößend. „Man ist gezwungen, in anderen Städten einkaufen zu gehen“, sind sie sich einig. Nur Billig-Läden und „Schrömmel“ und das Centro biete keine Alternative: „Das ist mehr für jüngere Leute.“ Auf der Lothringer Straße müsste auch was geschehen, sagt Ingrid Schlimm (73). „Für Ältere gibt’s da gar nix.“
Enttäuschte Aleviten
Neben Waffel-, Bier- und Würstchenstand darf der Döner natürlich nicht fehlen. Hier finden sich auch ein paar der ansonsten auf dem Fest rar gesäten Menschen mit Zuwanderer-Geschichte.
Leidenschaftlich diskutieren Mitglieder der Alevitischen Gemeinde über „ihre“ Partei. „Die haben sich entfernt von ihrer sozialdemokratischen Identität“, sagt Ersin Bilge. Türkeistämmige seien nicht mehr automatisch SPD-Wähler, wie es früher einmal war. „Kein einziges unserer Projekte wurde bewilligt“, sagt Ali Kılıçlı. „Und wir werden nur vor Wahlen gefragt, wie es uns geht.“ Und das, obwohl fast 90 Prozent der Aleviten rot wählten. „Mal sehen, wie lange noch.“
Merkel gegen Steinbrück