Oberhausen. Folge 9: Strukturwandel. In 30 Jahren verlor Oberhausen fast 50.000 gute Arbeitsplätze. Große Herausforderung für alle Kommunalpolitiker: Hartes Ringen um die Ansiedlung neuer Betriebe
Die stärksten Verluste an Industriearbeitsplätzen – in nur einem Jahrzehnt rund 15.000 - erlebte Oberhausen während der 1960er Jahre: Der Bergbau schrumpfte massiv, wofür symbolisch die Schließung der 6000 Menschen beschäftigenden Zeche Concordia 1968 stand. Die Eisen- und Stahlindustrie hatte ihren Beschäftigungshöhepunkt überschritten.
Konsumgüter-Branchen in der Stadt gerieten in eine schwere Krise. Dazu zählten an der Spitze so wichtige Arbeitgeber wie die Polstermöbelfabrik Hemmers mit 1400 und die Oberhausener Glasfabrik mit über 500 Arbeitsplätzen.
Thyssen hat Konkurrenten aufgekauft, um das Kerngeschäft zu behaupten
Der neue scharfe Wettbewerbsdruck für Eisen und Stahl wurde in Oberhausen von einem markanten Ereignis eingeleitet: Nach 150 Jahren Industriegeschichte, der Bildung der Hüttengewerkschaft und Handlung „Jacobi, Haniel und Huyssen 1808“, verkaufte die Familie Haniel ihre Aktienmehrheiten am Oberhausener Bergbau 1968 an die Ruhrkohle AG und an der Oberhausener Eisen- und Stahlerzeugung im Unternehmen HOAG 1970 an die Thyssen AG.
Seitdem wurde immer aufs Neue geunkt, Thyssen habe den Konkurrenten nur deshalb aufgekauft, um das Kerngeschäft der Thyssen Stahl AG in Duisburg behaupten zu können, also um die Produktionsanlagen in Oberhausen bei rauer Marktlage aufzugeben. Und tatsächlich: 1980 fiel der Hochofen A, erst 1958 als größter Hochofen Europas errichtet.
„Wiege der Ruhrindustrie“
Bis 1988 wurden die Walzstraßen auf dem Gelände Thyssen-West (heute Centro) geschlossen und im Dezember 1997 endete mit der Schließung des Elektrostahlwerkes, fast 240 Jahre nach der Inbetriebnahme der Antonyhütte 1758, die Geschichte der Eisen- und Stahlerzeugung in Oberhausen, der „Wiege der Ruhrindustrie“.
Auch das letzte selbstständige Oberhausener Steinkohlenbergwerk, die Zeche Osterfeld, war inzwischen 1994 stillgelegt worden, um 1999 die Landesgartenschau Olga zu beheimaten.
Allein mit der Aufgabe der Betriebe der Montanindustrie in Oberhausen verschwanden über gut drei Jahrzehnte 47.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Für die Kommunalpolitik änderten sich damit die Herausforderungen grundsätzlich: Arbeitsplätze sollten geschaffen werden, in dem man neue Betriebe auf Industriebrachen an- oder bestehende bei Erweiterungen umsiedelt; zuvor musste man aber die Flächen oft teuer sanieren.
Zukunftsperspektive durch öffentliche Beschäftigungsförderung
Die Großunternehmen übten sich zugleich in den 1970er und 1980er Jahren darin, Flächen zu blockieren. Dem hatte der klassische Typus des sozialdemokratischen Multifunktionärs – Betriebsrat und Ratsmitglied, der in manch harten Auseinandersetzungen um auskömmliche Sozialpläne für die Belegschaften sehr erfolgreich, aber eben auch sozialpartnerschaftlich stritt, dann meist kein probates Mittel entgegenzusetzen.
Generationen von Jugendlichen mussten seit 1973 eine Zukunftsperspektive durch öffentliche Beschäftigungsförderung oder wenigstens durch Freizeitangebote in soziokulturellen Einrichtungen geboten werden.
Finanzen der Stadt stürzten seit 1985 in eine tiefe Krise
Zudem stürzten die Finanzen der Stadt seit 1985 in eine tiefe Krise, die bis heute anhält – als Folge der sich öffnenden Schere zwischen wachsenden Sozialausgaben und schrumpfenden Steuereinnahmen.
In den Jahrzehnten des in Brüchen verlaufenden Strukturwandels seit 1978 bis in die 90er Jahre repräsentierten mit Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond und dem Fraktionsvorsitzenden Heinz Schleußer erneut starke Persönlichkeiten die Oberhausener SPD. Trotz der hohen Arbeitsplatzverluste blieb die SPD Mehrheitspartei, erhielt weiter Zuspruch: Durch Entschlossenheit und die Nähe zu den Menschen mit ihren Sorgen.