Vergleichsweise warm muss es an diesem Tag im März gewesen sein, als das Schreiben aus Düsseldorf kam. Lange hatte man im Rathaus darauf gewartet und man möchte sich vorstellen, dass es mit einer gewissen Feierlichkeit geöffnet wurde. Der Inhalt war nüchtern formuliert: „Des Königs Majestät haben durch den in beglaubigter Abschrift beigefügten Allerhöchsten Erlass vom 17. März dieses Jahres der Gemeinde Sterkrade im Kreise Dinslaken die Städteordung zu verleihen geruht.“ Auf den Straßen feierten die Bürger: Sie wohnten nun in der Stadt Sterkrade.
Erst im dritten Anlauf gelang 1913 die Verleihung der Stadtrechte an Sterkrade – ein Fest, das sich zum 100. Mal jährt. Zu verdanken ist das auch, davon schreibt Stadtarchivleiter Otto Dickau in einem Beitrag fürs Oberhausener Stadtgeschichtsbuch, dem damaligen GHH-Chef, Paul Reusch.
Vom Dorf zur Industriegemeinde
Denn bereits 1909 hatte Bürgermeister Eugen zur Nieden den ersten Antrag zur Verleihung der Stadtrechte in die Wege geleitet. Ausführlich schrieb er darin von dem Wandel, den das „Ackerdorf“ zu einer „bedeutenden Achtung gebietenden Industriegemeinde“ geschafft hatte. In Sterkrade, das einst durchs Kloster geprägt war und lange als Holtener Anhängsel galt, war mit der JHH und späteren GHH eine Industrie eingezogen, die es zu einem der wichtigsten regionalen Zentren in der Ruhrindustrie machte. Das lockte Menschen an: 7164 Einwohner zählte Sterkrade 1884.
Die Gründung von Zechen gab weiteren Aufwind, so dass 1909 – ein Jahr nach der Eingemeindung Buschhausens – mehr als 38 000 Menschen in Sterkrade lebten. Seit 1897 gab es eine Straßenbahnlinie nach Oberhausen, der Grundstein für ein Realgymnasium war gelegt, das Kanalsystem wurde ausgebaut – die Voraussetzungen für eine Stadt waren gelegt.
Zur Nieden wandte sich an Paul Resch
Dennoch erhielt zur Nieden eine Absage: Der Innenminister wolle dem Antrag zurzeit nicht nachgehen, hieß es. Als auch der zweite Anlauf erfolglos blieb, wendete sich zur Nieden 1912 an Paul Reusch. Reusch war ehemaliges Mitglied der Sterkrader Stadtverordnetenversammlung und hatte seit seiner Übersiedlung an die GHH-Konzernspitze in Oberhausen gute Kontakte zu den Obersten. Tatsächlich erreichte Reusch etwas: Kaum hatte zur Nieden in Düsseldorf Beanstandetes nachgebessert, schickte der Regierungspräsident – fast eine Formsache – die Abschrift der Verleihungsurkunde, die Sterkrade am 28. März 1913 erreichte.
Für seinen Einsatz wurde Paul Reusch mit der Sterkrader Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet. Und ganz Sterkrade feierte im Sommer zwei Tage und Nächte. Durch die Stadt zog ein mit den neuen Stadtfahnen dekorierter Festumzug der Vereine und im ehemaligen Kaiserhof wurde ein großes Festessen ausgerichtet. Zwischen 170 bis 280 Ehrengäste sollen da gewesen sein – je nach Quelle. Denn Zeugnisse von diesem historischen Moment gibt es leider nicht.
Auch das Goldene Stadtbuch war nicht rechtzeitig fertig geworden. Nach dem Fest schickte zur Nieden es kurzentschlossen als „Einschreibe-Paket“ von Ehrengast zu Ehrengast. 14 von ihnen reagierten – Paul Reusch war einer von ihnen.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.