Oberhausen. .
Wer war Wilhelm Weyer? Der Oberhausener Ralf Weyer (51) sagt, dass er wohl immer mal wieder mit der bewegenden Geschichte seines Urgroßvaters konfrontiert würde, aber viele Menschen gar nicht mehr wüssten, wer dieser Mann war. Wilhelm Weyer, der erste Polizeipräsident in Oberhausen, war sicherlich eines in besonderem Maße: ein Mann mit mehr Rückgrat als es viele Menschen besitzen dürften.
Bereits in der Zeit der französischen Besetzung weigerte sich Weyer als Polizeipräsident die Waffen der Polizei den Besetzern auszuhändigen. „Er ließ sie verstecken, weil sie sie sonst nie wiedergesehen hätten“, erklärt der Urenkel. Und Waffen seien für die damals noch sehr militärisch organisierte Polizei sehr wichtig gewesen.
Die Familie verlor alles
Dieser Widerstand bedeutete das erste Aus für Weyer als Polizeipräsident. Nach der Besetzung durfte er sein Amt wieder aufnehmen. Doch die nächste Katastrophe schwelte schon, ehe sie sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 zu einem Flächenbrand ausbreitete und zu einer der dunkelsten Episoden der Geschichte wurde. Wilhelm Weyer als prominentes Zentrumsmitglied und Vorsitzender des Oberhausener Katholikenausschusses war sofort klar, dass die Nazis einen Vorwand suchen würden, ihn aus dem Amt zu jagen.
In einem Brief erinnert sich eine Tochter, Maria Weyer, an jene schreckliche Nacht, als die Familie alles verlor. Nachdem Wilhelm Weyer gerade ein schwere Grippe überstanden hatte, wurde er um 2 Uhr durch einen Anruf aus dem Schlaf gerissen. Er sollte sich morgens um 8 Uhr für Gauleiter Terboven bereit halten. Stark geschwächt trat Weyer dem Gauleiter entgegen.
Situation war dramatisch
„Mit knarrender Stimme verlangte er Einsichtnahme in Polizeiakten“, schrieb Maria Weyer. Ihr Vater verweigerte das, weil keine schriftliche Vollmacht des Innenministers Göring vorlag. Darauf brüllte Terboven Weyer an: „Sie sind ab sofort Ihres Amtes enthoben. Sie erhalten kein Gehalt mehr, kein Überbrückungsgeld und keine Pension.“ Und so geschah es auch.
Urenkel Ralf Weyer erinnert daran, dass die Situation für Weyers mit ihren sechs Kinder zusätzlich dramatisch war, weil sie ihre Wohnung im Präsidium in den Räumen der heutigen Pressestelle hatten. Auch dort mussten sie raus. Ralf Weyer: „Man gab ihnen nur noch die Möglichkeiten, ihre Habseligkeiten zu packen und auszuziehen.“
Handelsreisender für Messwein
Freund verhalfen ihnen zu einer Bleibe in Köln. Da aber niemand mehr bereit war, Wilhelm Weyer eine Arbeit zu geben, musste er sich als Handelsreisender für Messwein und Kerzen durchschlagen. Der ehemalige Polizeipräsident verdiente 225 Reichsmark im Monat bei einem Bedarf von 249. „Allein für einen kranken Sohn, der in einer Irrenanstalt untergebracht war, musste er 1,70 Reichsmark nur für Verpflegung pro Tag zahlen. Die Nazis gewährten Weyer schließlich ein Achtel seiner ehemaligen Bezüge unter der Bedingung, dass er sich ruhig verhielt.
Weyer musste alle Möbel, sein Hab und Gut verkaufen, um seine Familie über die Runden zu bekommen. „Ich glaube, mein Urgroßvater hat das nur durchgehalten, weil er aus einer Arbeiterfamilie kam – der Vater war Schmied – und eine für damals unvorstellbare Karriere gemacht hat“, sagt Ralf Weyer.