Oberhausen. .
„Sagen Sie uns endlich, wie die Grünen Armutsfolgen bekämpfen und das auch finanzieren wollen.“ Es dauerte über eine Stunde Podiumsgespräch mit grüner Spitzenbesetzung und hochkarätigem Gast, bis einem Bürger im Publikum doch der Kragen platzte und er lautstark den Saal im Zentrum Altenberg verließ.
Eine bemerkenswert dünnhäutige Bärbel Höhn polterte zurück: „Dass Sie jetzt gehen, zeigt mir, dass Sie gar nicht an Antworten interessiert sind.“ Doch in der Tat plätscherte die von den Grünen am Freitagabend ins Leben gerufene Debatte über „Armutsfolgen und wie kann man für mehr Gerechtigkeit sorgen?“ ohne neue Erkenntnisse oder gar Kontroversen dahin: Mehr Umverteilung von reich nach arm über Erbschafts-, Transaktions- und Vermögenssteuer, die Wiedereinführung eines höheren Spitzensteuersatzes (49 Prozent) sowie von Mindestlöhnen (8,50 Euro) – die Antworten der Grünen und ihrer Gäste waren vermutlich auch für die rund 60 Bürger im Publikum kaum überraschend.
Beschönigende Sprachregelungen
Umso überraschender war schon eher die große Harmonie auf der Bühne. Gemeinsam mit Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, empörten sich Bundestagsmitglied Höhn und das grüne Landtagsmitglied Andrea Asch über die beschönigenden Sprachregelungen im Armutsbericht der Bundesregierung im Allgemeinen und frotzelten über die FDP im Besonderen: „Gegen Armut hilft wirklich Geld“, warf Schneider mit Augenzwinkern ins Publikum, „auch wenn es die FDP nicht glaubt.“
Bärbel Höhn feiert 60. Geburtstag
Überraschend war dies deshalb, weil gerade Schneider zu den schärfsten Kritikern der Hartz-IV-Gesetze zählt: Hartz-IV habe sich als untaugliches „Sprungbrett“ herausgestellt, um Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Tatsächlich haben die Gesetze, führte Schneider aus, zu einer „Verhärtung in der Armut“ geführt: „Wer heute in der Armut lebt, hat schlicht keine Perspektive.“
Harmonischer Eindruck
Die Grünen jedoch zeichneten sich vor allem durch den berüchtigten Lotus-Effekt aus: Kritik an Hartz-IV perlte an ihnen ab. Weder Asch noch Höhn ließen erkennen, dass die Grünen die politische Mitverantwortung für die damalige Umgestaltung des Arbeitsmarktes tragen. Ungewöhnlicher noch: Auch Schneider vermied es, seine politischen Mitdiskutantinnen deswegen ins Visier zu nehmen. So entstand der harmonische Eindruck, unter dem Asch etwa eine Maßnahme der rot-grünen Landesregierung für 1000 Langzeitarbeitslose als Erfolg gegen Folgen der Arbeitsmarktpolitik präsentieren konnte. „Super, wie du das grüne Parteiprogramm dargestellt hast“, lobte Asch Schneider später – das war zwar nicht ganz ernst gemeint, traf aber ungewollt den Tenor des Abends.