Oberhausen.

Herr Runkler, die FDP ist in dieser Stadt seit vielen Jahrzehnten Opposition, doch die liberale Stimme ist nur ganz leise zu vernehmen. Ist die SPD-Politik in Oberhausen so gut?

Runkler: Nein, wir sind nicht ruhig, sondern wir erleben uns als recht durchsetzungsstark. Trotz fehlender Mehrheit haben wir Entscheidungen herbeigeführt: So haben wir die geplante Sondermüllanlage oder Finanzabenteuer wie Cross-Border-Leasing mit verhindert. Wir haben den Gebietstausch mit Essen zur Sanierung der Ripshorster Brücke angeregt und mit dem LVR die Überdachung der Antony-Ausgrabung, den Museumsbahnsteig oder die Stärkung der Biologischen Station Ruhr West ermöglicht. Das alles ist auch FDP.

Sie sind selbst in der Opposition das Gegenteil eines Haudrauf-Politikers. Warum?

Runkler: Wir sind in unseren Positionen klar, aber nicht verletzend. Wir sprechen den politischen Mitbewerbern nicht ihren guten Willen ab, den bestmöglichen Weg für die Stadt zu suchen. Und es gibt eine Grundregel: Wenn man ständig nur draufhaut und zu allem in Opposition steht, findet man auch dann kein Gehör, wenn man Recht hat. Wir konzentrieren uns auf die Punkte, wo wir glauben, bessere Vorschläge zu haben.

Vor der letzten Ratswahl wollte die Oberhausener SPD lieber mit der FDP koalieren als mit den Grünen. Das wurde vereitelt. Sind Sie da nicht bitter enttäuscht?

Runkler: Ich bin zu lange in der Politik, um über irgendetwas bitter enttäuscht zu sein. Es war eine Entscheidung, die im Kern in Düsseldorf und Berlin gefallen ist. Uns wäre jedenfalls nicht das Gleiche wie den Grünen in der Koalition mit der SPD passiert: Wir Liberale hätten uns mehr durchgesetzt, obwohl das gegenüber der wieder erstarkten SPD nicht einfach ist. Aber mit der neuen Grünen-Fraktionsvorsitzenden zeichnet sich ein neuer Gestaltungswille ab.

Die Grünen behaupten, sie würden viel im Hintergrund erreichen.

Runkler: Na ja, da wäre es ja schön, wenn davon die Öffentlichkeit mal ‘was erführe. Merkwürdig ist doch, dass zum Beispiel der Passivhaus-Standard, den der Rat auf FDP-Initiative beschlossen hat, noch bei keiner städtischen Baumaßnahme verwirklicht wurde: weder beim Bert-Brecht-Haus noch bei den neuen Kindergärten. Da fühle ich mich als Liberaler schon unwohl, wenn ich aber Grüner wäre, würde ich mich noch unwohler fühlen.

Was halten Sie davon, die Mülheimer Straße als zweispurige Dorfstraße zu verkleinern, um die Luftqualität zu verbessern, wie es Grünen-Dezernentin Lauxen rät?

Runkler: Wissenschaftlich ist unstrittig, dass der Verkehr zur Feinstaub-Belastung wenig beiträgt, da gibt es andere Faktoren wie Wetterlage, Wind, Sahara-Staub, Kamine, Industrie. Die Mülheimer Straße ist ein Paradebeispiel dafür, dass Umweltzonen unwirksam sind: Hier fahren weniger Lkw als früher, doch die Feinstaubbelastung steigt so hoch wie nie. Je mehr man reguliert, desto schlimmer wird es. Die Umweltzone mit dem Zwang, neue Autos zu kaufen, ist klassische Symbolpolitik: Alle wissen, dass das nichts bringt, aber man macht es, um etwas zu tun, weil sonst die EU mit Sanktionen droht. Auch eine starke Verringerung des Verkehrs durch den Rückbau von Straßen würde die Belastung nicht entscheidend verringern, nur verlagern.

Oberbürgermeister Klaus Wehling regiert die Stadt nun seit fast neun Jahren. Wie beurteilen Sie seine Arbeit?

Runkler: Er ist nah bei den Menschen, aber nicht ganz so nah an der Rathaus-Verwaltung. Er könnte im Bereich Wirtschaftsförderung ruhig mehr auf Sachverstand setzen, deshalb ist es schade, dass sich die SPD 2009 nicht für uns Liberale als Koalitionspartner entschieden hat.

Fehler in der örtlichen Wirtschaftspolitik 


Wo werden denn Fehler in der örtlichen Wirtschaftspolitik gemacht?

Runkler: Der größte Fehler war der überhastete Verkauf des Stahlwerksgeländes, auf dessen Vermarktung wir nun kein Einfluss mehr haben. Wir bekommen jetzt hier nichts in der notwendigen Qualität und Größe hin. Das war ein Sündenfall. Zudem vernachlässigt die Wirtschaftsförderung die mittelständischen Betriebe. Die Chance, Unternehmen mit fünf bis 500 Beschäftigten nach Oberhausen zu holen, steht zu wenig im Vordergrund. Man muss hier auch mehr auf die Wünsche der bestehenden Firmen eingehen.

Unser Leserbeirat meint, dass die Stadtspitze zu wenig für die kulturellen und freizeit-orientierten Errungenschaften in Oberhausen wirbt. Haben unsere Leser Recht?

Runkler: Ich habe schon den Eindruck, dass hier mehr geworben werden könnte, andererseits wird Oberhausen von außen sehr stark wahrgenommen, sowohl mit seinen kulturellen Einrichtungen – Gasometer, Industriemuseum, Musical, Ludwig-Galerie oder Theater – als auch mit seinen größeren Unternehmen. Aber die Bürger vor Ort nehmen oft nicht mehr die guten Seiten und die Erfolge Oberhausens wahr, weil dies überlagert wird von den ganzen Spardebatten.

Man hat oft den Eindruck, dass die Oberhausener selbst zu wenig stolz auf ihre Stadt sind.

Runkler: Oberhausener sind ein unaufgeregter Menschenschlag, sehr bodenständig und sehr gerade heraus. Sie sagen laut und deutlich, was ihnen nicht gefällt. Das Positive, das zu Lobende ist eher selbstverständlich und wird deshalb kaum erwähnt. Vielleicht kommt es deshalb zu diesem Eindruck.


Ihre Partei steht bundespolitisch nach einem Höhenflug von bis zu 15 Prozent an Wählerstimmen derzeit nicht gut da. Hat damals Westerwelle oder hat heute Parteichef Rösler versagt?

Runkler: Schuld hat an solch einer Entwicklung nie ein Einzelner. Wir haben im Überschwang der Wahlgewinne zu wenig darauf geachtet, dass Versprechen vor der Wahl auch mit dem Partner vereinbart und umgesetzt werden. Das hat sich gerächt.

Hat Ihre Partei nicht auch inhaltliche Fehler gemacht und zu stark auf einen neoliberalen Wirtschaftskurs gesetzt?

Runkler: Der liberale Wirtschaftskurs ohne die Vorsilbe „neo“ ist ja in Ordnung, aber meine Partei hat das leider oft auf das Steuerthema verengt, und das ist zu wenig. Politische Erfolge wie die Energiewende stellt man so dar, als mache man dieses Jahrhundertprojekt nur widerwillig. Dabei hat die FDP mit Innenminister Genscher den Umweltschutz quasi erfunden – und Kernkraft war in der FDP wegen der ungelösten Entsorgung stets umstritten.

Im umfangreichen bis 2021 reichenden Sparpaket der Stadt sind viele Steuererhöhungen enthalten. Wird hier zu wenig gespart und werden dafür zu schnell Steuern erhöht?

Runkler: Das Paket ist nicht ausgewogen. Die Steuererhöhungen bedeuten ein Hemmnis für die Wirtschaft und Arbeitsplätze. Zudem ist die psychologische Wirkung verheerend. Und die Kommunalaufsicht drängt auch noch darauf, die Steuern immer weiter zu erhöhen. Die Formel, höhere Steuersätze bringen höhere Einnahmen, ist falsch. Bei den Grundsteuern ist die Schmerzgrenze schon überschritten, die trifft doch jeden Mieter, jeden Eigentümer, jeden Betrieb, da kann man sich nicht entziehen.

Wo sehen Sie denn im Gegenzug noch Einsparpotenzial, wenn man Steuererhöhungen vermeidet?

Runkler: Je mehr man über das Gebaren von Beteiligungsgesellschaften erfährt, desto verblüffter ist man. Es herrscht oft eine erfolgreiche Verweigerung, die Haushaltskonsolidierung mitzutragen.

Hartmut Schmidt, Chef der OGM, stöhnt immer wieder darüber, wie sehr er durch die Kürzungen städtischer Zuschüssen sparen muss.

Runkler: Das ist Stöhnen auf hohem Niveau. Seit 2003 hat die OGM im Grunde keine Konsolidierung leisten müssen. Die angekündigten Kürzungen wurden nicht verwirklicht. Forderungen der OGM werden meist erfüllt. Das Gutachten von Ernst & Young zeigt ja auf, dass viele frühere Sparvorschläge einfach nicht umgesetzt wurden.

Beim Stärkungspakt nimmt uns das Land 13 Millionen Euro wieder weg. Was halten Sie davon? Oberhausen erhält ja immer noch einen Batzen von mehr als 50 Millionen Euro.

Runkler: Das Ganze hat ja den Namen Pakt. Pacta sunt servanda – Verträge muss man einhalten. Der Gesetzgeber ist doch einen Vertrag mit der Stadt eingegangen, die darauf vertrauend sämtliche Planungen entwickelt hat. Diese drohende Finanzlücke kann man hier nicht ausgleichen, das müsste auch die Landesregierung wissen.

Das Interview mit Hans-Otto Runkler führte Peter Szymaniak.