Oberhausen. .
Sie schneidet sich tief ins eigene Fleisch, um die Todesangst nicht ein weiteres Mal erleben zu müssen, um die Qualen zu vergessen, die man ihr zufügte. Die 28-Jährige, die ihren Namen nicht nennen möchte, wurde in ihrer Kindheit sexuell missbraucht. Heute leidet sie an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, ausgelöst durch die frühkindliche Traumatisierung.
Hilfe bekommt sie nun in der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas an der Mülheimer Straße. Hier setzen die Mitarbeiter in sogenannten Skillsgruppen neu entwickelte Therapieansätze im Umgang mit der Borderline-Erkrankung ein.
Menschen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden darunter, ihre Emotionen nicht richtig kanalisieren zu können, weswegen kleine Zwischenfälle oft in einen enormen Stress für die Erkrankten ausarten. Medikamente, Drogen oder Alkohol dienen häufig dazu, den Stress unter Kontrolle zu bringen. Auch selbstverletzendes Verhalten, wie das Schneiden in die eigene Haut und risikoreiche Unternehmen gehören dazu.
Den Weg ins Jetzt finden
„Ein kleiner Streit ist oft schnell vergessen. Borderline-Patienten reagieren viel empfindlicher. Ihre Anspannung steigt an, bis es nicht mehr auszuhalten ist“, erklärt Bärbel Mohr, Sozialwissenschaftlerin und Mitarbeiterin im Gesundheitszentrum. Für uns sei das in etwa so, als wenn ein geliebter Mensch vor einer lebensrettenden Operation stehe.
„Die Borderliner passen die Situation dem empfundenen Stress an. Denn ihre Umwelt besteht aufgrund der Traumatisierung aus Gefahr, Unsicherheit und Unzuverlässigkeit“, erklärt Einrichtungsleiter Norbert Nilkens. Auf diese Gefahr in der Kindheit stellen sich die Opfer auch im Erwachsenenalter ein. In den neu entwickelten Skillsgruppen lernen die Klienten nun, neue Formen zu finden, um diesen Stress regulieren zu können.
Eine Maßnahme ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie, die unter anderem den Einsatz der Sinne, wie das Riechen, Schmecken oder Hören fordert, um „den Weg ins Jetzt zu finden“. Denn häufig reiche nur eine flüchtige Erinnerung an die Vergangenheit aus, um ihre mühsam aufgebaute Zuversicht zu zerstören. Im Fall der 28-Jährigen ist das zum Beispiel der Geruch von Alkohol, der sie an den Atem ihres Peinigers erinnert. Sofort verspürt sie wieder diese Todesangst.
Die 28-Jährige brach die Therapie vorerst ab. „Es war nicht der richtige Zeitpunkt. Ich kann noch nicht an mir arbeiten.“ Irgendwann sei sie aber soweit, die junge Frau weiß, dass sie dringend Hilfe benötigt.