Duisburg. . Bianca (Name geändert) hat versucht sich umzubringen. Im Haus Regenbogen in Ruhrort wird ihr geholfen, zurück ins Leben zu finden - bald soll sie in eine ambulant betreute Wohngemeinschaft ziehen.

Den ersten Selbstmordversuch startete sie kurz vor ihrem 9. Geburtstag. Da war die Oma mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus gekommen. Und Oma war ihr Rettungsanker in der schweren See der Patchwork-Familie, in der auch die Mutter an Depressionen litt, der leibliche Vater Druck machte.

Bianca, so nennen wir sie, ist heute 21 Jahre alt. Sie lebt im Haus Regenbogen in Ruhrort, wo mit ihr 18 junge psychisch kranke Menschen bis zu anderthalb Jahre lang betreut werden und zu mehr Selbstständigkeit gelangen sollen.

Ihr Krankheitsbild nennt sie das „Rundum-Paket“, paranoide Schizophrenie, Borderline-Syndrom, ständige Suizidgedanken begleiten sie. Von der Mixtur aus Tabletten, die man der Neunjährigen damals aus dem Magen geholt hat, berichtet sie mit einem Achselzucken. Es war ja nicht das letzte Mal. Mit 13 Jahren hörte Bianca zum ersten Mal Stimmen.

Behandlung mit vielen Medikamenten

„Die sagten, ich taug nix, bin nix wert, soll mich umbringen“, erzählt die junge Frau. „Das gleiche eigentlich, was ich früher von meinem leiblichen Vater und von Schulkameraden zu hören bekam.“ Sie wurde gehänselt, weil sie so korpulent ist, mit fiesen Tricks gemobbt. Heute sind es männliche Stimmen, weibliche Stimmen, „ich hör gar nicht mehr hin“. Seit sieben Jahren ist sie in Behandlung, meist stationär, mal ambulant, vor allem mit vielen Medikamenten. 13 Pillen schluckt die junge Frau derzeit, bei akutem Bedarf auch mehr.

Ihr größter Erfolg ist gegenwärtig „neun Monate klinikfrei und darauf bin ich richtig stolz“ - also keine stationäre (Not-) Aufnahme, ihre selbstzerstörerischen Schübe hat sie im Haus Regenbogen in den Griff gekriegt. Mit Gesprächen mit ihrer Bezugserzieherin, vor allem aber mit Gesang. Im Keller des Hauses ist ein Musikraum mit Keyboard und Gitarre, Schlagzeug und Mikrofon.

Hier singt Bianca, lenkt sich ab, macht sich ein gutes Gefühl mit Christina Stürmer, den Ärzten, Luxuslärm. „Das ist die perfekte Möglichkeit, das befreit mich, das befreit die Seele“, schwärmt sie. Außerdem will sie eh nicht noch mehr Tabletten nehmen. Auch die festen Strukturen helfen Bianca über den Tag. Sie kocht gern für die Gruppe, für die Chinapfanne liegt das Rezept schon bereit, sie freut sich richtig darauf.

Großer Schritt in Richtung Selbstständigkeit

In zwei Wochen wagt sie einen großen Schritt in Richtung mehr Selbstständigkeit, dann zieht sie in eine ambulant betreute Wohngemeinschaft von Regenbogen. „Nach 19 Monaten und zwei Tagen!“ In die Freude über diese Entwicklung mischt sich die Angst, es nicht zu schaffen. Die Sorge vor den nächsten Herausforderungen, etwa stundenweise ein Praktikum im Bereich der Hauswirtschaft zu beginnen.

Ihre Betreuerin im Regenbogen-Haus, Ellen Hoffmann, bestätigt, dass das ein weiter Weg ist. „Die Jugendlichen sind nicht sehr belastbar, sie sind eben krank, aber kleine Beschäftigungen sind wichtig, denn sie sollen sich ja auch nicht wertlos fühlen.“ Bianca nickt und betont: „Ich hab Potenzial.“ Eins ihrer Gedichte wurde bereits in der Regenbogenpresse veröffentlicht, eins ihrer Bilder - ein bunter Blumenstrauß - hängt prominent im Flur der Einrichtung.

Den Kontakt zum Haus wird sie so schnell nicht verlieren. Die Laufgruppe, der Chor, die Ansprechpartner werden ihr weiterhin offenstehen. Eine Beruhigung für Bianca. „Die Fahnen wehen, ich werde heute von euch gehen, werde auf eigenen Beinen stehen, ihr werdet es sehen.“