Oberhausen.
Ein knappes Drittel der unter Dreijährigen in Oberhausen wächst in Armut auf. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung. Zwar habe sich die Zahl der von Armut betroffenen Kinder in dieser Altersgruppe von 33,7 Prozent im Jahr 2010 auf 32 Prozent im vergangenen Jahr verringert.
Oberhausen liegt damit jedoch weiter deutlich über dem Landesdurchschnitt von 21,4 Prozent. Das Bildungs- und Teilhabepaket, das der Bund im letzten Jahr aufgesetzt hat, um Bedürftigen Leistungen wie Nachhilfeunterricht oder den Besuch von Sportvereinen zu ermöglichen, kritisieren Sozialverbände als „gut gemeint, aber schlecht umgesetzt“.
„Erschreckende“ Situation
Andreas Stahl, Leiter des städtischen Büros für Chancengleichheit, spricht von einer weiterhin „erschreckenden“ Situation. „Rund ein Viertel der Familien in Oberhausen lebt in Armut oder armutsnahen Verhältnissen“, erweitert er den Fokus. „Bei den unter Dreijährigen sind die Zahlen jedoch besonders hoch. Je jünger die Kinder sind, desto höher ist die Armutsgefahr“, schildert Stahl.
Hierbei spiele gerade die Einkommenssituation der Eltern eine große Rolle, erklärt Stahl und verweist auf die Ergebnisse des „Familienberichts 2012“ der Stadt. Familien, in denen nur ein Elternteil berufstätig ist, sind demnach stärker von Armut betroffen, als diejenigen, in denen beide Partner einer Arbeit nachgehen.
Zusammenhang mit dem Bildungsniveau
Das alles stehe eng im Zusammenhang mit dem Bildungsniveau, so Andreas Stahl weiter. Damit aber die Kinder aus sozial schwachen Familien für ihr zukünftiges Schul- und Berufsleben bessere Chancen erhalten und auch am sozialen Leben teilnehmen können, bedarf es besonderer Förderung. Darum sei das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes prinzipiell ein guter Ansatz. „Man könnte es aber einfach besser machen.“
Heike Beier, Leiterin des Bewohnertreffs der Arbeiterwohlfahrt (AWO) an der Bebelstraße, kann diese Kritik absolut nachvollziehen. „Die Anträge brauchen insgesamt zu lange, bis sie bewilligt werden. Die Bürokratie ist zu groß.“ Die Zahl der Ratsuchenden steigt sukzessive an. „Das Paket wird auch zu wenig beworben.“
Viele Eltern wissen von Hilfsangeboten nichts
Zudem reiche es nicht aus, etwa nur die Vereinsbeiträge alleine zu übernehmen. „Es geht ja auch darum, wie die Kinder etwa zum Fußballverein hinkommen“, so Beier. Das Geld für die passenden Schuhe, eine Sporttasche oder allein schon Getränke aufzubringen stellt zudem viele Familien vor Probleme. „Das wurde bisher völlig außer acht gelassen. Es ist sicherlich gut gemeint, aber es ist zu wenig.“
Guido Ernek, Leiter des Bereichs Familie und Schule bei der Caritas, kann der Kritik nur beistimmen. Denn besonders im Bereich der Nachhilfe würden viele Mittel nicht abgerufen. „Vielen Familien ist es gar nicht bekannt, dass sie für ihre Kinder solche Hilfen in Anspruch nehmen können“, so Ernek. Beim Schulmittagessen, bei dem sich die Schulen selbst darum kümmern, laufe es dagegen ziemlich gut.
„Nachhilfeangebote sollten an den jeweiligen Schulen angeboten werden“, findet denn auch Ernek. „In Zusammenarbeit mit den Lehrern kann man so dem Förderungsbedarf viel besser begegnen.“ Für sehr wichtig erachtet er zudem die Schulsozialarbeit. „Die Stellen, die durch das Paket zusätzlich geschaffen wurden, sind leider zeitlich begrenzt.“ Dabei könne man präventive Förderung nicht hoch genug bewerten. „Die Folgekosten für den Sozialstaat sind sonst vielleicht noch viel höher.“
Kinderarmut in NRW
Die Bertelsmann Stiftung hat in ihrer Studie Kinderarmut so definiert: Kinder gelten als arm, wenn sie in Familien aufwachsen, die Leistungen aus der Grundsicherung (Hartz-IV-Bezug) erhalten. In der Altersgruppe der unter Dreijährigen hat Gelsenkirchen die bundesweit höchste Armutsquote zu verzeichnen, sie liegt bei 40,5 Prozent. Generell sind die Zahlen in den nordrhein-westfälischen Städten rückgängig. Einzig in Krefeld blieb die Quote (28,6 Prozent) im Vergleich zum Vorjahr unverändert.