Oberhausen. . Das Centro in der Neuen Mitte in Oberhausen eröffnet am Donnerstag seine Erweiterung. Das Einkaufszentrum hat nun ein Viertel mehr Verkaufsfläche. Doch die Stadt ist gespalten: Hat das Centro der Stadt Oberhausen geschadet oder genutzt?

Die alte Innenstadt: abgeschlagen, geprügelt. Die Neue Mitte dagegen glänzt, erweitert heute ihre Verkaufsfläche um fast ein Viertel, um 17 000 Quadratmeter. Nachbarstädte und sogar die Bezirksregierung hatten dagegen geklagt, Oberhausen hat dennoch dafür gekämpft. Aber hat es der Stadt auch genutzt – unterm Strich?

Auf der Marktstraße

„Die Innenstadt ist keine Innenstadt mehr, sondern Randlage.“ Das sagt Franz Muckel, der 1999 angetreten ist, eben dieser Innenstadt „zu helfen“. Der City-Manager muss nur aus seinem Fenster an der oberen Marktstraße sehen, dort klafft eine Baulücke. Rechts und links: immer wieder zugeklebte Schaufenster. Selbst Peek & Cloppenburg mit seiner herrschaftlichen Fassade steht schon lange leer – ein Mahnmal. Und dennoch ist die Marktstraße nicht tot.

Blumen, Metzger, Bäcker. Vor allem Billigbäcker. Solche Läden haben eine Chance. Nahbedarf. Muckel sieht es so: „Wir haben keinen Wettbewerb mehr mit dem Centro.“ Dort reisen die Kunden auch von 40 Kilometern her an. In Muckels City ist die Reichweite auf vier Kilometer geschrumpft. Darum kann er sagen, die Centro-Erweiterung bereite ihm keine Sorgen. Im Gegensatz zur geplanten Erweiterung des Bero-Centers am Hauptbahnhof. Denn das bietet: Nahbedarf.

Nein, das Centro allein hat die City nicht so geschlagen. Das Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum hat mehr Verkaufsfläche. Der Ruhrpark in Bochum ebenfalls. Am Heifeskamp an der Grenze zu Mülheim ist ein riesiges Fachmarktzentrum entstanden. Es gibt in Oberhausen noch das kleinere Luchs-Center und das Sterkrader Tor. Und so weiter. Die Innenstadt ist umzingelt.

Selbst Tchibo hat seinen Abgang angekündigt

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Aber dass es keine Konkurrenz zum Centro gebe, stimmt auch nicht ganz. Denn der Kaufhof in der City hat erst aufgegeben, als die Erweiterung in Sicht rückte. Und auch die Modekette New Yorker setzt nun ganz aufs Centro. Selbst Tchibo hat seinen Abgang angekündigt. Zu wenig Frequenz. Zu wenig Kaufkraft. Es wohnen zwar 5000 Menschen an der Marktstraße, aber 60 Prozent beziehen Hartz IV.

Das Gegenkonzept ist aus der Not geboren: Die Innenstadt gänzlich auf Nahversorgung herunterfahren. Die Marktstraße stutzen, das Wohnen stärken. Das mag zynisch klingen für alle Immobilienbesitzer, denn die Mieten und damit die Betonwerte haben sich seit 1996 halbiert. Aber es ist wohl nur eine Zustandsbeschreibung. Seniorenwohnungen sind ja schon entstanden, Spielplätze saniert. Vielleicht locken die günstigen Mieten ja sogar Studenten? Hoffnungen! Muckel sagt: „Diese Innenstadt wird irgendwie überleben. Nur wie, das müssen wir mühsam steuern.“

"Wir vermissen die City eigentlich nicht"

Eine sanfte Stimme erinnert daran, dass das Rauchen verboten ist. So einfach ist das in keiner anderen Innenstadt. „Wir vermissen die City eigentlich nicht, hier ist es wetterunabhängig“, sagen die Oberhausener Christina Perbic (22) und Markus Grundmann (25). Und dieses Angebot! So wie sie denken offenbar 23 Millionen Besucher im Jahr.

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Den Imageeffekt des Centros kann man nicht beziffern, aber klar ist: Ein Zehntel seiner gesamten Bruttowertschöpfung zieht Oberhausen, diese graue Maus, heute aus dem Fremdenverkehr! Die Konsumtouristen, das Musical-Theater, Sea-Life, Marina und Arena. „Die Rolling Stones in Oberhausen. Wer hätte das 1994 geglaubt“, sagt Stadtsprecher Rainer Suhr. Und nebenan im Gewerbepark der Neuen Mitte baut Bilfinger Berger gerade seine neue Europa-Zentrale. Auch solche Ansiedlungen seien ohne das Centro kaum denkbar gewesen, glaubt Suhr. Und die hohe Verschuldung? „Oberhausen würde wohl noch ein Stück anders aussehen, wenn wir die zusätzlichen Gewerbesteuer-Einnahmen nicht hätten.“

Im Stadtteil Sterkrade

Herrenausstatter Manfred Assmacher.
Herrenausstatter Manfred Assmacher. © WAZ FotoPool

Kein einziger Inhaber hat den Sprung ins Centro geschafft. Einige Einzelhändler hätten es versucht, sagt Manfred Assmacher, der in Sterkrade Herren ausstattet. Die Mietpreise, die Öffnungszeiten, der Personalschlüssel. Es lohnt sich nicht. Es lohnt sich aber auch in Sterkrade immer weniger. Oberhausen war immer eine Stadt mit mehreren Kernen. Und Sterkrade, das war die bessere Innenstadt. Auch Assmacher hatte mal sechs Modeläden. Ihm bleibt einer, und auch hier kommen die Einschläge näher. Pappe und Folie in Schaufenstern. Horror vacui – der Schrecken der Leere.

Natürlich sieht Assmacher, dass das Centro dem Handel „enorm geschadet“ habe. Die Erweiterung hält er für einen Fehler. Aber er sagt auch: „Auf Profis zu schimpfen ist müßig. Im Centro machen sie einfach eine Klasse-Arbeit.“ Der Bessere möge gewinnen!?

Es ist zumindest fair. Assmacher – und mit ihm der Einzelhandelsverband – hatte sich bei der Gründung klar für das Centro ausgesprochen. „Der Niedergang des Einzelhandels war 1995 schon in vollem Gang.“ Auch er sah keine Alternative. Heute ... gibt es den Verband nicht mehr. Er ist fusioniert mit Essen und – mit Assmachers Worten – „in Bedeutungslosigkeit versunken“.