Oberhausen. .
Die Geschäftsfrau sucht gerade Paten für die Beete an der Knappenstraße. „Wir wollen die Fußgängerinseln und Baumscheiben bepflanzen“, sagt Dorothee Radtke. „Aber bepflanzen alleine reicht ja nicht.“ Die Werbegemeinschaft will nachhaltig arbeiten - mit Zukunft eben.
Das scheint die Devise der vergangenen Jahre zu sein. Der Stadtteil ist im sanften Aufschwung. 1996 setzte das Land das Knappenviertel auf die Liste „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“. Das Land investierte im Südosten in 200 Einzelprojekte. Dorothee Radtke freut sich, dass sich die Investition bezahlt gemacht hat und nachwirkt.
Junge Menschen turnen an Seilen
Im Uhlandpark ist jetzt ein Klettergarten. An den Seilen turnen junge Menschen und überwinden Ängste. Ein Ort mit Wohlfühl-Qualität. Früher saßen hier nur Obdachlose und Alkoholiker. Die sind auch heute noch da. Aber es trauen sich eben auch andere Menschen in den Park.
Direkt daneben, im alten Lidl-Markt ist vor einigen Jahren die Moschee eingezogen. Die Sozialdemokratin hat viel Lob für die Muslime übrig. Dafür, dass sich die Gläubigen sehr offen zeigen. „Wir feiern viele gemeinsame Feste.“
Sozialer Brennpunkt
Ja, da gebe es nichts schön zu reden. „Es war hier wirklich ein sozialer Brennpunkt.“ Dorothee Radtke zeigt auf die Uhlandstraße. Von den alten Häusern steht nur noch das erste. „Das war hier unser Problemviertel.“ Rund um die Obdachlosenwohnungen und heruntergekommenen Mietshäuser habe es immer wieder Zwischenfälle gegeben, wilde Schlägereien und Brände.
Knappenviertel
Dorothee Radtke zeigt auf den Berg hinter den Häusern. „Das ist die höchste Erhebung in Oberhausen.“ Satte 102 Meter über dem Meeresspiegel misst die Knappenhalde. Das Fundament der Anhöhe besteht aus – wie kann es in dieser Stadt anders sein – Abraum der Zeche Oberhausen. Die Gutehoffnungshütte kippte dann ihre Schlacke ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg landeten hier Trümmer der zerstörten Häuser.
Mit der Bausubstanz ist es im Knappenviertel so eine Sache. Rund um den Knappenmarkt, das Zentrum des Viertels, gibt es einige hübsch renovierte Altbauten. Die Immobilien-Eigentümer profitierten vom Fassadenprogramm des Landes.
Andere Besitzer ließen ihre Gebäude jedoch verfallen. Einige Ladenlokale stehen leer, in manchen sind Wettbüros, in anderen halten sich mit eisernem Überlebenswillen kleine Händler.
Dorothee Radtke ist selbst Geschäftsfrau in ihrem Lieblingsviertel. Radio Radtke verkauft längst mehr als Radios. „Man muss sich eine Nische suchen“, sagt die 61-Jährige. Dann seien auch Media Markt und Co. keine allzu große Konkurrenz.
Satelliten-Empfang
Die Radtkes haben den Antennenbau als einen Schwerpunkt. Das Ende des analogen Satellitenempfangs brachte viele Kunden. Auch mit der Fußball-EM stiegen die Verkaufszahlen.
Die Politikerin ist stolz auf das neue Bürgerzentrum im alten Bunker an der „Alte Heid“. Davor steht ein Maibaum. Den haben die Gewerbetreibenden gestiftet. „Der bleibt immer bis zum Stadtteilfest stehen“, sagt Radtke.
Der Bunker wurde zur Jahrtausendwende umgebaut, auch so ein Förderprojekt. Unten im Veranstaltungssaal diskutiert gerade der Oberbürgermeister. Oben hat die Stadt Zimmer bezogen. Es gibt Räume für Jugendliche und alte Menschen. Letztere waren anfangs ein Problem. „Viele Ältere wollten nicht in einen Bunker.“
Ganz unten, quasi im Keller, ist seit elf Jahren das Bunkermuseum untergebracht. Dort hat sich seit dem schrecklichen Luftkrieg vor gut 70 Jahren so gut wie nichts geändert. Es gibt Ausstellungen, die sich der Kriegszeit widmen.
Arbeiterwohnungen
Rund um die „Alte Heid“, die ihren Namen der Heidelandschaft verdankt, die es hier bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gab, stehen die alten Arbeiterwohnungen, erbaut für die Angestellten von Zeche und Gutehoffnungshütte.
Hier zogen auch die Zuwanderer hin. Griechische, türkische und spanische Fahnen hängen an den Fenstern. Radtke: „Viele, die früher auf der Hütte gearbeitet haben, blieben auch hier wohnen.“ Die Siedlungen gehören heute der Immeo. Viele Häuser sind renoviert. An der Marienburger Straße entsteht gerade ein Pilot-Projekt für Demenzkranke. Das Ladenlokal unten im Hochhaus steht leer. Bald werde hier wieder ein Supermarkt einziehen, verspricht Radtke.
Auf dem Hof der Hauptschule St. Michael am Markt spielen Kinder. Noch. Das Ende der Schule ist besiegelt. Ab 2013 werden hier keine Anmeldungen mehr angenommen. Weiter hinten liegt der Sportplatz. Dort spielt der SC 1920 Oberhausen. Auf das Vereinsleben ist man stolz.
Dorothee Radtke kann sich vorerst nicht vorstellen, das Knappenviertel zu verlassen. Privat wohnt sie in Dümpten, aber beruflich ist sie Knappenfrau. „Wir sind seit 38 Jahren hier im Viertel.“ Diese Läden, die spektakulär öffnen und dann genauso schnell wieder dicht sind, gibt’s woanders. Bepflanzen alleine reicht eben nicht.