Wo die Halde in Alstaden brannte, ist heute ein Biotop
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Oberhausen. . In den 50er und 60er Jahren arbeitete Friedhelm van den Mond auf der Zeche Alstaden. Für die WAZ-Serie “Bürger zeigen ihr Stadtviertel - Rundgänge durch den Süden“ zeigte uns der Oberhausener Alt-Oberbürgermeister sein Alstaden.
Mit dem Schild stimmt was nicht. Friedhelm van den Mond steht an der Kreuzung von Solbadstraße und Haldenstraße am Südrand von seinem Alstaden. Hier am Ruhrpark war mal der Eingang zu Schacht 1 der Zeche. Das Tor gibt’s heute noch. Und eben jenes Schild: „1965 verfüllt.“ Der 80-Jährige blickt auf die Tafel und schmunzelt. „Damals bin ich noch hier eingefahren.“
Ortswechsel: Der Alt-Oberbürgermeister parkt das Auto am Ruhrufer. Er grüßt die Anwohner, die etwas kritisch auf den Volkswagen schauen. „Wir sind gleich wieder weg.“ Die Frauen lachen.
Es könnte schlimmer aussehen
Weiter also. Da rechts war mal die Kneipe „Tante Ida“. Über die Treppen geht’s hinauf auf den Ruhrdeich. Von hier aus hat man einen Blick über den ganzen Ruhrbogen, die Ruhraue. Auf der anderen Ruhrseite ist Mülheim. Friedhelm van den Mond macht keinen Hehl daraus, dass er es nicht gut fand, dass die Nachbarn dort einfach eine Deponie für Aushub anlegten. Ein Lkw kippt Erde ab. Der Hügel schimmert grün. Einige Pflanzen haben sich angesiedelt. Es könnte schlimmer aussehen.
Vorbei an den Kanuclubs auf der rechten Seite. Hier sitzt der Paddelverein Wasserbummler „Die machen vor allem Wanderfahrten“, sagt van den Mond. Dahinter hat der AKC sein neues Clubhaus. „Das ist der Verein mit Leistungssport.“ Das alte Clubhaus war 1977 nicht mehr zu retten, die Grundmauern waren verkohlt.
Die Halde musste nach Brand abgetragen werden
Warum? Das weiß jeder Alstadener: Direkt neben dem Club brannte 1977 die Halde der Zeche Alstaden. Die Kohleanteile in dem Abraum hatten sich entzündet. „So etwas bekommt man nicht mehr aus“, erklärt der Bergbau-Ingenieur. Die Luftwerte waren miserabel. Die Halde musste abgetragen werden. Das ging nur per Schiff. „Wir mussten dafür die Ruhr ausbaggern.“ Der Abraum ging nach Holland.
Heute haben sich an der Stelle Teiche gebildet. Die Bagger gruben damals etwas tiefer. „Das war eine gute Entscheidung“, sagt van den Mond. Das aufsteigende Grundwasser hat ein großes Biotop geschaffen. Sein Nachfolger Burkhard Drescher habe sogar mal über einen Yachthafen nachgedacht. Van den Mond lacht.
Keine Reihenhäuser von der Stange
Der Alt-Oberbürgermeister ist in seinem Element. Er kennt Alstaden sprichwörtlich wie seine Westentasche. An der Halde begann sein Berufsleben. „Ich hab’ als 15-Jähriger auf der Rangierlok gestanden. Mit mir haben sogar 13-Jährige gearbeitet.“ Kaum ein Ort, kaum ein Gebäude, hinter dem sich keine Geschichte verbirgt. Ein Rundgang mit van den Mond ist eine Zeitreise.
Auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Zeche stehen heute Wohnhäuser, die Straßen heißen nach Flüssen aus dem Sauerland. Van den Mond ist stolz drauf, dass die Politik in den 80er Jahren nicht einfach einen Investor losschickte, um Reihenhäuser von der Stange hinzupflanzen. „Das war Bauen in Gruppen-Selbsthilfe.“ Nachbarn hätten sich zusammengetan, beim Mauern und Verputzen angefasst. Das Bauunternehmen mit dem Namen „Das familienfreundliche Heim“ habe vor allem Anleitung gegeben. „Es waren immer ein Mauerer-Polier und ein Zimmerpolier dabei.“ Für den Politik-Senior ist das ein Erfolgsmodell. Warum wird das nicht häufiger praktiziert? „Für den Investor lohnt es sich nicht.“
Dreckecken muss man lange suchen. Die Containersiedlung am Rehmer wird bald abgerissen. Der Ärger kam als die Asylbewerber Ende 2008 gingen. Vandalen verwüsteten Gebäude und Gelände. Ein Investor will jetzt neu bauen.
Luftbilder aus Oberhausen
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Königin Luise war da vor 200 Jahren
Am Ruhrpark hat die Caritas schon gebaut. Das Altenwohnprojekt Rolandshof wurde 2008 eröffnet. Die alten- und behindertengerechten Wohnungen sind für den 80-Jährigen auch ein Vorzeigeprojekt. Um die Ecke war mal ‘ne Kneipe, der Schroershof. „Da hat Königin Luise auf dem Weg nach Schloss Burg übernachtet.“ Der Besuch der Preußenkönigin ist gut 200 Jahre her.
„Im Grunde genommen hat Alstaden durch die Schließung der Zeche an Lebensqualität gewonnen“, sagt van den Mond, der selbst nach dem Aus der Zeche studierte und Berufsschullehrer wurde. Die Sparkasse ist da. Es gibt Hausärzte und Fachärzte. Bis zum nächsten Supermarkt sind’s meist nur wenige hundert Meter. Und Busse fahren. . .
Eigentlich sei es nie schlecht gewesen, hier im Süden. An soziale Probleme kann sich der Alt-Alstadener nicht erinnern. „Die Zeche war ein Familienpütt.“ Es habe kaum Zuwanderung gegeben. Und mit den Italienern und Türken, die da waren, habe es gut funktioniert. Nicht zu vergessen das Vereinsleben: Karnevalsvereine und Bürgervereine hätten stets „viel bewegt“.
Friedhelm van den Mond steht auf dem Fröbelplatz. Dort treffen Buslinien aufeinander. Und dort hört der „Bauer mit Pflug“ nie auf, den Boden umzuwühlen. Die Skulptur, die der Bürgerring aufstellte, erinnert an die ersten Bauern, die sich zwischen 500 und 800 nach Christus im heutigen Alstaden ansiedelten. „Einen Bauern haben wir noch – Bauer Flocke.“
Friedhelm van den Mond kommt kaum weiter. Immer wieder spricht ihn jemand an. Die Frau will wissen, ob er weggezogen sei? „Nein, umgezogen“, sagt der Alt-OB. Er würde doch nicht wegziehen. Auch wenn das Schild falsch ist. 1973 wäre übrigens das richtige Verfülldatum.
Zahlen
In Alstaden leben 15.724 Menschen. 6094 Einwohner sind katholisch, 4793 evangelisch, 4837 gehören einer anderen oder keiner Religion an. 1098 Menschen haben keinen deutschen Pass.
Die Arbeitslosenquote beträgt 7,3 Prozent. 540 Menschen zogen 2011 aus Alstaden und damit Oberhausen weg, 550 Personen zogen her. 1056 Personen wechselten von einem anderen Stadtteil Oberhausens nach Alstaden, 1078 zogen von hier fort in ein anderes OB-Quartier.
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