Oberhausen.
Sie empfangen uns mit einem Lächeln, haben Tische und Stühle ins Freie geräumt, Kaffee, Wasser und Plätzchen aufgetischt. Familie Schekho aus Syrien lebt in einem Container im Übergangswohnheim an der Gabelstraße, das am Jahresende geschlossen wird. Ihre Gastfreundschaft ist überwältigend, die vier Söhne gesellen sich zu uns, spielen vergnügt mit wassergefüllten Luftballons. Obwohl die Familie in ihrer Heimat Schlimmes erlebte – und sich vor wenigen Monaten zur Flucht entschloss.
Mutter Haboke erzählt in ihrer Muttersprache, manchmal stockt die Stimme. Lulu Abon (29), die als Übersetzerin hilft und vor Jahren aus dem Libanon geflohen ist, weiß, wovon Haboke spricht. Die 32-jährige Syrerin erzählt: „Wir waren Bauern in einem kleinen Ort, arbeiteten für andere Bauern und hatten ein kleines Stück Land.“ Das habe für ein bescheidendes Leben gereicht. Probleme habe es für die Familie – und alle, die wie sie yezidische Syrer sind – immer gegeben: „Die Yeziden haben in Syrien keine Rechte. Wir bekommen keine guten Arbeitsplätze, selbst wenn wir eine gute Ausbildung hätten.“ Immer lebte die Familie in Angst vor Verfolgung, sagt Haboke. Für ihren Mann Hatim sei es besonders schwierig gewesen, denn er ist von Geburt an taubstumm.
Beinahe alle sind geflohen
Mit dem Ausbruch der Kämpfe in Syrien habe sich die Lage für die Yeziden weiter verschlechtert, sagen die Schekhos. Ihr Haus sei beschädigt worden: „Beinahe alle Yeziden sind geflohen.“ Deshalb sei es ihnen nicht sehr schwer gefallen, ihre Heimat zu verlassen.
Sie kamen mit dem Wunsch auf einen Neuanfang nach Deutschland – und mit einer Hoffnung: dass Ärzte dem 38-jährigen Hatim helfen könnten. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, Hörgeräte bringen immerhin eine kleine Verbesserung. Auch das war ihnen in ihrer Heimat nicht vergönnt. „Wir mussten dort alles selbst bezahlen, Krankenhaus, Ärzte, alles. Das konnten wir uns gar nicht leisten.“
Nachdem sie den Entschluss gefasst hatten, ihre Heimat zu verlassen, verkauften sie ihr Land, ihr Hab’ und Gut und flüchteten nach Deutschland. Den Erlös aus dem Verkauf brauchten sie dringend für die Flucht, berichten sie. Über diese wollen sie nichts erzählen, auch damit die Kinder nicht erneut daran erinnert werden. „Wir wissen von Familien, die tagelang auf Schiffen unterwegs waren, und von denen wir nie erfahren haben, wie weit sie gekommen sind“, übersetzt Lulu Abon.
„Wir fühlen uns hier wohl“
Haboke und Hatim Schekho und ihre vier Söhne Nejdat (11), Saad (9), Mejar (7) und Amjat (5) kamen im November 2011 nach Deutschland, Göttingen, Bielefeld und Schöppingen waren ihre ersten Stationen, bevor sie in ihren Container an der Gabelstraße einzogen: ein kleiner Schlafraum mit Etagenbetten, ein Raum mit Küchenzeile, Tisch und Sofa und ein Bad mit Dusche, Toilette und Waschbecken für die sechsköpfige Familie.
Fragt man die Familie nach ihrem Eindruck von Oberhausen, strahlt sie: „Wir fühlen uns hier wohl.“ Die drei älteren Söhne besuchen die Grundschule an der Oranienstraße, haben sich prima eingelebt und machten mit bei der Sommerschule der Regionalen Arbeitsstelle Zuwanderung (RAA), um Deutsch zu lernen. Einen Berufswunsch hat Nejdat auch schon: „Ich will Arzt werden!“ Auch er findet in Schmachtendorf alles „viel schöner“ als daheim: „Außerdem sind die Familien meiner Freunde auch geflüchtet.“ Viele ebenfalls nach Deutschland.
Für Syrien wünscht sich Haboke Frieden: „Niemand will, dass in seiner Heimat Krieg herrscht, auch wenn es uns dort nicht gut ging.“
Zurzeit wartet die Familie auf die Entscheidung, ob sie als Flüchtlinge anerkannt werden. Unterstützt werden sie nicht nur von den Mitgliedern der Bürgerinitiative Bunter Oberhausener Norden, die sich seit Jahren um die Bewohner der Gabelstraße kümmern. Auch die Schmachtendorfer Grundschule hat sich in einem Brief dafür eingesetzt, dass die Familie in Deutschland bleiben darf.
Mehr Platz an der Bahnstraße
Haboke wünscht sich das sehnlich: „Wenn wir bleiben können, will ich schnell richtig Deutsch lernen und eine Arbeit bekommen. Ich wünsche mir aber vor allem, dass meine Söhne eine gute Ausbildung bekommen.“ Am Ende verraten die Asylbewerber strahlend: „Wir haben eine gute Nachricht bekommen: Wir können in eine Wohnung an der Bahnstraße umziehen. Da haben wir mehr Platz.“