Oberhausen. . An Berthold Soldats Garten fährt fast alle zehn Minuten ein Güterzug vorbei. Deshalb wurden im Lärmaktionsplan der Stadt Oberhausen vor zwei Jahren Maßnahmen zur Minderung des Lärms angeordnet. Passiert ist bis heute nichts.
Berthold Soldat ist kein impulsiver Mann. Er regt sich nicht schnell auf, wählt seine Worte mit Bedacht. Wenn er spricht, dann hält er manchmal inne, um abzuwägen, ob das was er sagen will, wirklich gerechtfertigt ist. So ist es auch, wenn er über die Güterzüge redet, die jeden Tag an seinem Haus in Oberhausen-Borbeck vorbei fahren. Trotzdem sagt er: „Ich ärgere mich, dass niemand sich für die Lösung einsetze, die ich sehe.“
Hier „In der Sandgathe“ und an der Rispshorster Straße rattern sie jeden Tag entlang, die Güterzüge mit Waren, die nach Polen und Russland fahren und Autos aus dem VW-Werk in Emden transportieren. Gleich hinter Soldats Garten hängen die Kabel, welche die röhrenden Transporter mit Strom versorgen. Wenn ein Zug vorbei fährt wird es so laut, dass es schwer fällt, sich im Garten zu unterhalten. „Am schlimmsten sind die leeren Waggons“, sagt Berthold Soldat. Hier gibt es kein Nachtfahrverbot, wie für die Flugzeuge am Frankfurter Flughafen. Keine angeordnete Stille zwischen 22 und 6 Uhr. Tag und Nacht müssen Soldat und die anderen Anwohner der Bahnstrecke mit dem Lärm leben: „Keiner kümmert sich darum, dass die Leute, die hier wohnen ein Anrecht auf Nachtruhe haben.“
52.000 Züge im Jahr
Immanuel Schuler, stellvertretender Vorsitzender der Oberhausener FDP und ebenfalls Anwohner „In der Sandgathe“, will aus internen Quellen erfahren haben, dass über die Güterstrecke vor seinem Haus jedes Jahr 52.000 Züge fahren. Statistisch gesehen würde dann etwa alle 10 Minuten ein Zug direkt vor Soldats Garten her fahren. Züge, die bis zu 650 Meter lang sein können.
Dabei sollte dieser Teil der so genannten Walzwerkstrecke eigentlich mal stillgelegt werden. In der Ripshorster Kurve sollte das Gleis verschwenkt und der Güterverkehr über die parallel verlaufende Strecke der Köln-Mindener-Bahn um das Wohngebiet herum geleitet werden. Das ist mittlerweile vom Tisch. Und das, obwohl der Zugverkehr eher noch zunehmen wird.
Wie eine Motorsäge im Garten
Davon ist Schuler überzeugt: „Das ist eine Abfuhrstrecke für die Betuwe-Linie. Da wird der Verkehr eher noch zunehmen und vielleicht sogar auf 60.000 Zugbewegungen im Jahr steigen.“ Bis zu 80 Dezibel will Schuler in seinem Garten gemessen haben. Das entspricht in etwa der Lautstärke einer Motorsäge. Deshalb hat die Stadt die Güterstrecke zwischen Ripshorster Straße und Sandgathe auf Schulers Anraten in den Lärmaktionsplan der Stadt Oberhausen aufgenommen. Dieser soll dazu dienen, die Lärmbelastung der Bürger durch Schiene und Straße zu verringern.
Von der Umsetzung der 2010 beschlossenen Maßnahmen ist allerdings bisher nichts zu sehen. Bei der Stadt verweist man auf die Verantwortung der Deutschen Bahn. Die betreibt nämlich die Güterstrecke vor Berthold Soldats Gartentür, weswegen die Stadt Maßnahmen nur empfehlen, nicht aber anordnen kann.
In einer Stellungnahme gegenüber dieser Zeitung gibt man sich dort aber reserviert: „Da es zur Zeit eine Reihe von Lärmsanierungsabschnitten gibt, die „lärmmäßig“ höher priorisiert sind, und vorher abgeschlossen werden müssen, wird es noch einige Zeit dauern, bis die von Ihnen genannten Bereiche an der Reihe sind.“ Weiter heißt es, die „Realisierung von Maßnahmen“ werde erst „in einem langfristigen Zeitraum“ in Angriff genommen.
Soldat sieht Stadt in der Pflicht
Soldat will sich damit aber nicht abfinden. Er sieht die Stadt Oberhausen in der Pflicht: „Es ist schließlich Aufgabe der Kommunalpolitiker, den Bewohnern der Stadt optimale Lebensbedingungen zu ermöglichen.“ Borbecks Probleme mit dem Güterlastverkehr sind übrigens kein Einzelfall in Oberhausen. Auch andernorts, etwa an der Siedlung Grafenbusch, rauschen jeden Tag schwere Güterlastzüge vorbei. „Dort ist es sogar noch lauter als hier“, meint Immanuel Schuler. Als Kommunalpolitiker will er sich natürlich auch dort für Maßnahmen einsetzen.
Berthold Soldat blickt auf einen vorbei fahrenden Zug. Die letzten Tage war es wegen Reparaturarbeiten an der Strecke zwar ruhig. Jetzt aber fahren die Züge wieder an. Berthold Soldat will sie nicht abschaffen. Damit, dass die Güterstrecke nicht umgeleitet wird, hat er sich abgefunden. Nur eine Lärmschutzmauer vor seinem Garten hätte er gern. Um den Krach wenigstens zu mindern: „Wir in der Nachbarschaft würden uns vielleicht sogar finanziell an einer Lösung beteiligen.“