Oberhausen. .
Die britischen Flugzeuge kamen wie meistens in der Nacht an diesem 2. Juni 1942. Zwischen 0.30 und 2.40 Uhr gingen auf Oberhausen, das vor dem Zweiten Weltkrieg 192 000 Einwohner zählte, drei Minenbomben, 274 Sprengbomben, 24 500 Stabbrandbomben und 943 Phosphorbrandbomben nieder, wie eine zeitgenössische Statistik akribisch vermerkt.
Dieser Luftangriff vor 70 Jahren auf Oberhausen war der bis zu diesem Zeitpunkt schwerste und stellte alles bisherige seit Kriegsbeginn in den Schatten. Ein Bild der Zerstörung bot sich den Menschen am Morgen danach, 83 Tote waren zu beklagen, 29 davon waren in ihren eigenen Kellern verschüttet worden. 127 Schwer- und 105 Leichtverletzte kamen dazu. Bei dem Großangriff wurden außerdem das Rathaus und der Hauptbahnhof sowie Industrieanlagen wie die Guthoffnungshütte getroffen. Die Statistik von 1942 führt 169 Totalschäden und 72 Großbrände auf.
Strategie der Briten ging nach Hinten los
„Ab Februar 1942 änderten die Briten ihre Angriffsstrategie“, erläutert Karsten Leidiger den historischen Hintergrund des Ereignisses. Leidiger ist freier Mitarbeiter des Oberhausener Bunkermuseums im ehemaligen Knappenbunker an der Alten Heid. „Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Engländer versucht, einzelne Ziele der Rüstungsindustrie zu treffen. Nun gingen sie dazu über, mit möglichst vielen Flugzeugen die Städte großflächig zu bombardieren“, sagt Karsten Leidiger.
Geplant sei für den 2. Juni 1942 ein 1000-Bomber-Angriff auf Essen gewesen, „aber durch die deutsche Luftabwehr wurde der Verband aufgesplittet“. Die Flugzeuge teilten sich auf Oberhausen, Duisburg und Essen auf. Ziel dieser Strategie der Briten sei es gewesen, sagt der Mitarbeiter des Bunkermuseums, „so die Moral der Bevölkerung zu brechen“. Diese sollte sich gegen den Nationalsozialismus erheben als Urheber des Weltkrieges und der Luftangriffe auf Städte und Menschen. Doch die Hoffnung der Briten trog, „die Angriffe haben dazu beigetragen, das Feindbild eher noch zu verfestigen“, erklärt Karsten Leidiger.
NS-Propaganda untermauerte das Feindbild
Eine Haltung, die auch im Zeitungsartikel des nationalsozialistisch gleichgeschalteten Generalanzeigers vom 3. Juni 1942 über den Angriff deutlich wird: Die Bevölkerung habe sich besonnen angesichts des Terrors gezeigt. Der neue Angriff auf Oberhausen habe gezeigt, „dass die Briten nun bewusst auch auf den letzten Schein einer humanitären Kriegsführung verzichten“, heißt es in dem Generalanzeiger-Artikel vom 3. Juni. Karsten Leidiger ordnet die Propaganda ein: „Der Feind des nationalsozialistischen Deutschland, also in dem Fall die Briten, hat aus damaliger Sicht natürlich vor allem Krankenhäuser, Wohngebiete und Schulen angegriffen. Während man selbst mit chirurgischer Präzision nur militärische und industrielle Anlagen angegriffen habe.“ Was mitnichten so war.
Der bis dato schwerste Luftangriff vor 70 Jahren war in der Sache nicht neu für die Menschen in Oberhausen. Zeitgenossen berichten, dass die Frauen, Kinder, Alten und Männer, die noch nicht an der Front waren, tatsächlich meist sehr ruhig und wenig panisch im Bunker die Angriffe abgewartet hätten. „Sie haben gebetet, Kirchenlieder gesungen, gehofft“, erzählt Museumsmitarbeiter Leidiger über die Zeit in den Luftschutzräumen.
Nach dem Krieg bleibt ein Trümmerhaufen
Viele der später 17 Großbunker in der Stadt waren 1942 noch nicht fertig gestellt, die Leute wurden vielfach angehalten, in ihren Kellern Schutz zu suchen. Ein Ergebnis des Großangriffs vom 2. Juni ‘42 war, dass nun verstärkt der Ausbau betrieben wurde. Eine andere Konsequenz: Das Oberhausener Kriegstagebuch der Polizei hielt Unstimmigkeiten beim Feuerlöschen in der Nacht des 2. Juni fest. „Die Einsatzkräfte haben sich verzettelt, löschten kleinere Brände, während größere unbeachtet blieben“, sagt Leidiger. Künftig sollte ein geschulter Feuerwehrmann vom Rathausturm aus Anweisungen geben.
Am Ende des Krieges, den das nationalsozialistische Deutschland entfacht hatte, war Oberhausen eine zerstörte Stadt. Die ehemaligen Straßen, Häuser, Industriebauten türmten sich zu 1,3 Millionen Kubikmetern Schutt. 2200 Menschen waren bei den Luftangriffen in Oberhausen umgekommen, davon waren 500 Menschen Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene. 40 Prozent aller Gebäude in der Stadt waren beschädigt oder ganz kaputt, nur sieben Prozent von den 53 200 Wohnungen blieben unbeschädigt. Die Trümmer wegzuräumen und die Stadt wieder aufzubauen dauerte bis in die Mitte der 50er Jahre hinein. Die politische und psychische Aufarbeitung dieser Zeit geht dagegen weiter.