Oberhausen. .

Hubert Filarsky wollte nur ein Loch für seinen künftigen Teich buddeln. Dabei stieß er auf ein greifbares Stück Zeitgeschichte. Denn die Reste aus Holz und Leder, verbunden durch ein paar Nägel, die er fand, gehörten einst einem Zwangsarbeiter. Ab Mitte März soll die Holzsandale im Rahmen der Dauerausstellung „Zwangsarbeit“ im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund zu sehen sein.

1988 hatte Filarsky das Haus an der Hiesfelder Straße in Schmachtendorf erworben. Der Kauf lag nahe, war er doch seit 1984 auch Inhaber des gleichnamigen Reisebüros im Erdgeschoss. „Da war es für uns praktisch, gleich über dem Büro wohnen zu können“, erklärt er.

Ursprünglich hatte sich das 1903 errichtete Gebäude im Besitz des Bäckermeisters Johann Oppenberg befunden. Die Schriftzüge „Bäckerei“ und „Konditorei“ an der Außenfassade erinnern daran auch noch heute. „Oppenberg hatte sechs Töchter und zwei Söhne“, erzählt Filarsky weiter. Von den letzten drei noch lebenden Töchtern habe seine Familie das Haus samt Grundstück schließlich erworben. „Die Töchter erzählten uns auch, dass das Haus 1905 schon einmal abgebrannt sei, weil es von einem unzufriedenen Gesellen in Brand gesetzt worden war“, erinnert sich Filarsky.

"Wie konnte ich nur!"

Und noch eine Besonderheit wies der Ziegelbau auf: Am Rande des dazugehörigen Gartens steht ein zwölf mal fünf Meter großer Bunker. Für dessen Geschichte interessierte sich Filarsky zunächst nicht. „Leider“, wie er bedauert. Erst nach dem Umbau des Wohn- und Geschäftshauses nahm der 58-Jährige den massiven Betonklotz unter die Lupe. „Er war fast 40 Jahre lang verschlossen gewesen – als ich die Tür öffnete, kam mir Muff pur entgegen.“

Da Filarsky sich in dem Bunker eine Werkstatt einrichten wollte, machte er sich ans Werk, das Innenleben komplett zu entsorgen. „Wie konnte ich nur!“ sagt Filarsky heute kopfschüttelnd. Denn was er damals fand, hätte er rückblickend aus zeitgeschichtlichen Gründen lieber konservieren sollen: Alte Holzbänke. Über jedem Platz stand fein säuberlich in altdeutscher Schrift der Name jedes Sitzberechtigten. „Eine Latrine gab es auch und Zwischentüren, die wohl vor Bombensplittern schützen sollten.“

"Mir war sofort klar, dass das etwas Besonderes ist"

Nachdem Filarsky mit der Brechstange aufgeräumt hatte, richtete er dort seine Werkstatt ein. Doch viel Freude hatte er daran nicht. „Die Werkzeuge verrotteten zu schnell.“ Immerhin schien sich der alte Bunker wenigstens als Weinkeller zu eignen.

Jahrelang machte sich Filarsky über den Betonbau keine Gedanken mehr. Eben bis zu jenem Tag, an dem er dieses Loch für seinen Teich aushob – und dabei auf ein Stück Holz, ein paar Lederreste und Nägel stieß. „Mir war sofort klar, dass das etwas Besonderes ist“, sagt Filarsky, der inzwischen seit fast 30 Jahren Mitglied des Heimatvereins Schmachtendorf ist. Er hob die Einzelteile vorsichtig auf und pinselte sie sorgfältig ab.

Bäckermeister mit guten Kontakten

„Dabei hatte mich zufällig eine der schon sehr betagten Bäckerstöchter beobachtet.“ Von ihr erfuhr Filarsky schließlich die dazugehörige Geschichte. Der große Siedlungs-Bunker in der Nähe hatte 1944 einen Volltreffer abbekommen, über 20 Menschen waren dabei gestorben. Bäckermeister Oppenberg hatte seine guten Beziehungen zur Oberhausener Ruhrchemie spielen lassen. „Das Unternehmen schickte ihm Zwangsarbeiter, die in seinem Garten einen Privatbunker für die Familie und die Nachbarschaft errichten sollten.“ Während der Bauarbeiten hätten die Töchter beobachtet, wie die Zwangsarbeiter sich aus Holz und Lederresten aus militärischem Kochgeschirr diese Sandalen bastelten“, berichtet Filarsky.

Die ausgezehrten Männer arbeiteten gründlich und wohl bewusst langsam. „Denn die Bäckerstöchter steckten ihnen immer wieder Lebensmittel zu.“ Filarsky erfuhr auch: „Der Bunker ist entsprechend solide gebaut. Er hätte zur damaligen Zeit sogar einem Volltreffer Stand gehalten.“

Sandale wird noch restauriert

Holzsandale und Geschichte sind es wert, erhalten zu werden, dachte sich Filarsky. Also packte er seinen Fund sorgfältig ein und schickte ihn an das Dortmunder LWL-Industriemuseum. Zurzeit wird die Sandale noch auf Zollern restauriert. Sind diese Arbeiten abgeschlossen, wird sie in die Dauerausstellung zum Thema Zwangsarbeit aufgenommen.

„Für uns sind solche Geschichten sehr wertvoll“, berichtet Dr. Anne Kugler-Mühlhofer vom Dortmunder LWL-Industriemuseum. Die Historikerin recherchiert seit drei Jahren in Archiven, um die Geschichte von Zwangsarbeitern auf der Zeche Zollern und in der Region aufzuspüren.

Belgier, Holländer und Franzosen

Sie sucht für die Dauerausstellung zum Thema Zwangsarbeit noch Zeitzeugen, die Kontakt zu Fremd- oder Zwangsarbeitern hatten, etwas über deren Lebensumstände oder den Umgang mit ihnen sagen können.

„Gerade in den ersten Kriegsjahren lebten zum Beispiel die so genannten Westarbeiter mitten unter der Bevölkerung und konnten sich anders als die späteren Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion noch viel freier bewegen“, weiß Kugler-Mühlhofer. So waren Belgier, Holländer und Franzosen etwa in der Nähe der Zeche Zollern untergebracht.

Wanderausstellung

Vom 18. März bis zum 30. September wird auf der Zeche Zollern außerdem die internationale Wanderausstellung „Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ zu sehen sein. Die Ausstellung ist von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora initiiert worden.

Kontakt: Zeche Zollern, Grubenweg 5, 44388 Dortmund, 0231/6961-219 (Dr. Anne Kugler-Mühlhofer).