Oberhausen. Noch immer landen bundesweit Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Oberhausener Gastronomen, Geschäften und Einrichtungen ist es zuwider, Nahrung wegzuschmeißen. Doch die Lagerung und richtige Kalkulation der Haltbarkeit ist in vielen Fällen schwierig.
Rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel landen jährlich bundesweit im Abfall. Das ergab eine Studie des Instituts für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft der Uni Stuttgart. Die Mehrheit des Lebensmittel-Mülls entsteht in den Privathaushalten, 17 Prozent stammen aus Gaststätten, Kantinen und Lebensmittelgeschäften.
Ein Blick hinter die Kulissen von Großküchen und Restaurants zeigt, dass das Lagern und Entsorgen von Lebensmitteln eine vielschichtige „Kunst“ ist, konkrete Zahlen sind aber auch in Oberhausen Mangelware.
Mit Lebensmitteln für mindestens 150 hungrige Kinder und Erwachsene muss Hauswirtschafterin Gabi Bittner täglich in der Friedensdorf-Küche hantieren. Da die Hilfseinrichtung auch diesen Bereich aus Spendengeldern finanziert, ist es ihr besonders wichtig, so wenig wie möglich entsorgen zu müssen: „Zumal wir aufgrund des Spendenrückganges knapper kalkulieren müssen.“
"Wir verwenden hochwertige Lebensmittel."
Vorgaben regeln, wieviel Nahrungsmittel pro Kind zu berechnen seien: „Wir müssen aber bedenken, dass unsere Kinder teilweise schlecht ernährt sind und mehr brauchen in ihrer Rekonvaleszenz“, sagt Bittner. Sind für europäische Kinder rund 300 Gramm Reis pro Portion vorgesehen, „so kommen unsere Kinder damit nicht aus“.
Sie rechnet beispielsweise für zehn Personen je ein Kilo Fleisch oder Nudeln. „Der Preisvergleich ist entscheidend“, sagt Gabi Bittner, die ständig Angebotslisten wälzt: „Wir verwenden hochwertige Lebensmittel. Das rechnet sich am Ende und gibt auch viel weniger Abfall.“
Spezialfirma übernimmt Entsorgung
Lebensmittel-Spenden nimmt sie gern an. Doch das bedeutet viel Arbeit: „Wir müssen sicherstellen, dass die Kühlkette nicht abreißt, müssen jede Spende kontrollieren und registrieren.“ Alle Reste, die nicht in hungrigen Kindermägen gelandet sind, werden entsorgt – im eigens dafür vorgesehenen Kühlraum. Die Entsorgung übernehme eine vom Veterinäramt zertifizierte Spezialfirma, sagt Gabi Bittner.
Auch Stefan Opgen-Rhein will als Gastronom so wenig Lebensmittel wie möglich entsorgen. „Das ist mein Kapital, und mir ist es zuwider, Lebensmittel zu entsorgen.“ Er kalkuliert zehn Prozent „Schwund“ ein, weiß aber auch, wie man vermeintliche Abfälle nutzt: „Aus Gemüse- und Fleischresten kochen wir Brühe und Soßen.“ Manches wird in seiner Küche vorproduziert: „Wenn davon ‘was übrigbleibt, darf ich das nicht beispielsweise für Obdachlose spenden. Das muss ich entsorgen.“ Er bemängelt, dass in der Ausbildung zum Koch „nur ein klitzekleiner Teil auf die Kalkulation entfällt“. Eine bessere Schulung könne helfen, die Mengen der im Müll landenden Lebensmittel zu senken.
Haftbar gegenüber der Lebensmittelkontrolle
Insgesamt sieht Open-Rhein den Verbraucher in der Pflicht: „Er erwartet in den Läden zu jeder Zeit volle Regale. Dann gibt es da zehn Joghurt-Sorten von x Anbietern. Klar, dass da jede Menge übrig bleibt.“ Er plädiert dafür, in der Schule Ernährungslehre und Kochen zu etablieren, um den Wert der Lebensmittel wieder in den Fokus zu rücken.
Eine Nutzung von übrig gebliebenen Lebensmitteln hat auch Hans-Georg Bruckschlegel in seinem Restaurant „Residenz“ gefunden: „Wir kochen auch für unsere Mitarbeiter, da können wir diese Lebensmittel verwenden.“
Der Wunsch, möglichst wenig Lebensmittel zu entsorgen, sei auch bei den großen Lebensmittelgeschäften zu spüren, sagt Josef Stemper von der „Oberhausener Tafel“: „Bis zu 60 Geschäfte unterstützen uns mit Spenden; das sind rund 95 Prozent.“ In der Regel sei es nicht abgelaufene Ware. „Die Tafel hat beschlossen, nichts rausgeben, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist.“ Aus rechtlichen Gründe, so Stemper: „Wir sind gegenüber der Lebensmittelkontrolle haftbar. Nur, wenn wir das Mindesthaltbarkeitsdatum beachten, sind wir auf der sicheren Seite.“
Deutliche Preissenkungen
Deshalb habe er das Angebot eines Krankenhauses abgelehnt, Fertigpackungen von den Frühstückstabletts der Patienten zu spenden: „Wir können nicht sicherstellen, dass die keimfrei sind.“ Zurzeit, so Stemper, „können wir mit den Spenden den Bedarf der 600 bis 700 Menschen decken, die bei uns pro Woche Lebensmittel holen.“ Was dennoch entsorgt werden muss, wandert in die Restmülltonne.
Netto-Pressesprecherin Christina Stylianou erläutert das Prinzip der Filialen auch in Oberhausen: „Wir setzen auf Schnelldreher und berücksichtigen bei unseren Bestellabläufen die Kundennachfrage je Artikel.“ Einige Tage vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums würden die Artikel deutlich im Preis gesenkt.
Stylianou weiter: „Darüber hinaus unterstützen wir die Tafel mit noch haltbaren Lebensmitteln. Durch dieses Vorgehen wird der Großteil unserer Lebensmittel verkauft oder an Bedürftige weitergegeben.“ Der Anteil an Lebensmitteln, der nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums entsorgen werden müsse, sei marginal.