Oberhausen.

Wenn die Kirschen am Baum rot leuchten und die Äpfel langsam reifen, möchte man einfach nur kraftvoll zubeißen. Das können viele Menschen aber nicht, denn wenn sie es tun, dann kribbelt’s auf der Zunge und manchmal schwellen die Schleimhäute an – dramatische Zeichen einer Allergie. Dann können Lebensmittel sogar lebensgefährlich werden.

„Seit Jahren ist die Zahl echter Lebensmittel-Allergien recht stabil“, sagt Chefarzt Dr. Klaus Becker, Gastroenterologe und Ernährungsmediziner am St. Clemens Hospitale in Sterkrade. Deutlich zugenommen hätten jedoch die Lebensmittelunverträglichkeiten. Eine Ausnahme gebe es allerdings: „Die Erdnuss, auf die reagieren mehr Menschen allergisch.“ Ein Grund dafür könnte sein, „dass vor allem in Amerika die Kinder dauernd Erdnussbutter vorgesetzt bekommen“, sagt Becker. Es scheint ein Zusammenhang zu bestehen zwischen der Häufigkeit des Verzehrs eines Nahrungsmittels und der Ausprägung einer Allergie: „Allerdings ist auch die genetische Veranlagung wichtig“, so der Mediziner.

Ernährung als Teil einer Behandlung

Immer seien es Eiweiße, die das Immunsystem als Fremdkörper bekämpft. Warum das so ist, ist noch nicht eindeutig geklärt. Nicht immer schwellen Schleimhäute an, manchmal versteckt sich hinter Magen- und Darmproblemen auch eine Allergie. Klaus Becker sieht seine Kollegen in der Pflicht. Die Ernährung müsse häufiger Teil einer Behandlung werden: „Ähnlich wie bei Herz- und Diabeteserkrankungen.“

Stellt sich eine vermeintliche Allergie als Lebensmittelunverträglichkeit heraus, helfe die Vermeidung. Ergebe die Diagnose eine echte Allergie, könne die Desensibilisierung eine Lösung sein. Becker: „Aber anders als gedacht. Wer gegen Steinobst allergisch ist, hat eine Kreuzallergie entwickelt und sicher auf Birkenpollen reagiert. Wir würden gegen Birkenpollen desensibilisieren.“

Ökotrophologin Sigrid Bosman, die an der Stadtgrenze in Styrum tätig ist, sieht ebenfalls eine Zunahme von Unverträglichkeiten – aber auch von Allergien, denn: „Die Diagnostik ist besser geworden ist.“ Früher habe man grundsätzlich geraten, bei Säuglingen Allergene zu meiden, wenn die Mütter Allergikerinnen sind: „Heute heißt es, man solle früh behutsam eine Toleranz entwickeln. Es hat sich gezeigt, dass man durch Vermeidung keine Allergien verhindert“, so Bosman.

Ökotrophologin Sigrid Bosman.
Ökotrophologin Sigrid Bosman. © WAZ FotoPool

Sie registriert eine subjektive Zunahme von Reaktionen auf Zusatzstoffe in Lebensmitteln bei ihren Patienten: „Aber da ist die Studienlage nicht gesichert.“ Für Sigrid Bosman steht fest: Ist bereits eine Allergie diagnostiziert, muss es heißen „Finger weg vom Allergen“. Übel dran seien Allergiker, die Birken, Beifuß und Sellerie im Kombipack haben: „Sellerie ist in vielen Fertiggerichten – vom Brühwürfel bis zum Gewürz.“