Oberhausen. .
In den südlichen Ländern steht’s in der Karaffe auf dem Restauranttisch bereit, bei uns muss der Gast darum bitten: Leitungswasser, im Volksmund Kraneburger genannt. Wird es in Oberhausener Gaststätten und Cafés wenigstens auf Wunsch kostenlos serviert und hat der Kunde ein Recht darauf, es zu bekommen? Wir fragten nach.
„Der Gast hat keinen Anspruch auf ein kostenloses Glas Wasser, das ist die rechtliche Position“, sagt Torsten Hellwig, Sprecher beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. „Der Wirt hat das Hausrecht, er bestimmt.“ Also ist es sogar erlaubt, ein Glas Leitungswasser in Rechnung zu stellen? „Theoretisch schon, doch in der Praxis werden Sie das nie erleben“, sagt Hellwig. „Sie sitzen warm, Sie mieten das Glas, das gespült werden muss, das Wasser wird Ihnen serviert, Sie hören vielleicht auch Musik, Sie genießen das Ambiente des Lokals…“ – alle Annehmlichkeiten, die der Besuch einer Gaststätte bietet, kosten Geld und fließen in die Preisgestaltung ein. Hellwig verweist auf die Mischkalkulation, aber auch auf den sehr intensiven Wettbewerb in der Gastronomie, der keine Fantasiepreise zulasse.
Der Wirt wird es nicht tun
„Der Wirt dürfte das Leitungswasser berechnen, aber er wird es nicht tun.“ Er selbst bestelle gern ein Kraneburger zum Espresso und habe dies stets problemlos bekommen.
„Wer Leitungswasser möchte, bekommt es, ohne Diskussion, sogar eine ganze Kanne“, sagt Christina Antwerpen, Chefin des In Hostel Veritas und stellvertretende Vorsitzende der Dehoga-Kreisgruppe Oberhausen. „Die Kunden muss man pflegen, das wird als Service empfunden. Ein zweites Kopfkissen berechne ich schließlich auch nicht.“
„Das gibt’s bei uns umsonst mit dazu.“ Alexandra Bergmann, Kellnerin im Café Extrablatt, hat ebenfalls kein Problem mit dem Kraneburger. Es werde nicht berechnet, sagt sie, obwohl auch Mineralwasser ohne Kohlensäure auf der Getränkekarte stehe.
Letzteres erfreue sich immer größerer Beliebtheit, sagt Karin Wirtz, Thekendienst in der Gaststätte Alt Buschhausen. Sprudelfreies Flaschenwasser habe das Kraneburger verdrängt. Es sei nur noch sehr selten erwünscht, zum Beispiel „zum Einnehmen einer Tablette“.
Das ist Kulanz, der Kunde ist König
„Wir kassieren das nicht, obwohl es ja eigentlich nicht kostenlos ist“, sagt auch Mario Berisha, Kellner im Restaurant Giu am Ebertplatz. „Das ist Kulanz, der Kunde ist König.“
„Wird selten bestellt“, reagiert er wie noch einige weitere Lokale auf die Kraneburger-Anfrage. Doch die Kulanz darf wohl auch nicht überstrapaziert werden. Zwei Beispiele:
Der Gast bestellt heißes Leitungswasser, den Teebeutel hat er selbst dabei. Oder: Eine Clique besetzt im Biergarten die besten Plätze, alle bestellen Kraneburger. Geiz ist geil. In Ordnung oder dreist?
Extreme Umsonst-Mentalität kann schon dazu führen, dass ein Lokal beschließt: Das geht zu weit.
„Wir verweisen darauf, dass wir auch Wasser ohne Kohlensäure haben“, sagt Nadine Watterodt, zuständig fürs Marketing des Adiamo im Centro. „Einzige Ausnahme: Es steht jemand mit einer Tablette vor uns.“ Meint sie, dass die Kraneburger-Fans einfach sparen wollen? „Ja, natürlich. Nur darum geht’s. Am Geschmack kann’s ja nicht liegen.“
Kraneburger schneidet gut ab
Luxuswasser oder Kraneburger - schmeckt man den Unterschied? Ein Wassertest, durchgeführt im März 2012 in Essen, kam zu dem eindeutigen Ergebnis: nein. Und auch beim Wassertest der WAZ-Lokalredaktion 2010 schnitt das Nass aus dem Kran gut ab.
Wenn auch eher als Tipp für den privaten Wasserkonsum als für den im Lokal gedacht, so ist das Ergebnis Wasser auf die Mühlen von Reset, einer Aktionsplattform für Umweltschutz und Humanität. „Leitungs- statt Plastikwasser“, ruft Reset dazu auf, auf Kraneburger umzusteigen. Das schone die Umwelt und den Geldbeutel, denn das Flaschenwasser werde oft über extrem weite Autobahnstrecken angeliefert und gesünder als Leitungswasser sei das Wasser aus Plastikflaschen nach Meinung von Experten nicht. Kraneburger sei in Deutschland das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt.
Leitungswasser kostenlos servieren
Die Fachgruppe Gastronomie empfiehlt, Leitungswasser als Beigabe zu Wein, Kaffee, Whiskey oder anderen Getränken kostenlos zu servieren. Werde es kostenpflichtig abgegeben, sei Transparenz angesagt: Der Preis gehöre dann auf die Getränkekarte. Mineralwasser sollte in einer Flasche serviert werden. Geschieht das nicht, kann man davon ausgehen, dass es sich um Tafelwasser handelt, das aus der Schankanlage abgefüllt werden darf.
Speisen müssen laut Gaststättengesetz auch serviert werden, wenn der Gast kein Getränk zum Essen bestellt.