Oberhausen. Wolfgang Große Brömer tritt nach sechs Jahren den Vorsitz der Oberhausener SPD ab. Im NRZ-Gespräch wirft er einen Blick zurück und redet auch über seine Nachfolge.
Sechs Jahre lang war Wolfgang Große Brömer (59) Chef der Oberhausener Sozialdemokraten und ihrer Ratsfraktion in Personalunion. Nun gibt er den Parteivorsitz ab, am Montag soll Michael Groschek zu seinem Nachfolger gewählt werden. Für die hiesige SPD ist das ein entscheidender Schnitt, für Große Brömer persönlich der Beginn eines langsamen Rückzugs aus der Politik. Die Neuwahlen in NRW, bei denen der Landtagsabgeordnete erneut kandidieren wird, machen den Abschied freilich etwas länger als zunächst angedacht.
Am Montag geben Sie ihr Amt als Oberhausener SPD-Chef ab. Vermutlich sind Sie derzeit trotzdem nicht gerade in Abschiedsstimmung.
Wolfgang Große Brömer: Im Gegenteil, es herrscht Wahlkampfstimmung. Durch die Auflösung des Landtags sind jetzt unheimlich viele Dinge zu organisieren. Und mit den Neuwahlen ist es ja nicht unwahrscheinlich, dass sich das Landtagsmandat etwas länger darstellt. Als Abgeordneter wäre ich weitere fünf Jahre für die Oberhausener SPD in beratender Funktion tätig. Außerdem bleibe ich vorerst Fraktionsvorsitzender im Rat. Der Abschied von der Funktion des Vorsitzenden ist kein Abschied von der Partei.
Mit Ihnen gehen andere prägende Persönlichkeiten der Oberhausener SPD. Der Abschied von Oberbürgermeister Klaus Wehling ist absehbar. Da steht ein Generationenwechsel an. Haben Sie als Parteichef vorgesorgt, was den Nachwuchs angeht?
Große Brömer: Diese Frage kann kein Vorsitzender irgendeiner Partei derzeit mit „Ja“ beantworten. Die SPD hat das gleiche Problem wie alle anderen Parteien. Selbst die Grünen müssen sich inzwischen Gedanken darüber machen, dass ihr Image nicht automatisch junge Leute in die Parteiarbeit führt. Die Piraten scheinen einen anderen Trend zu haben, aber das sollte man in Ruhe abwarten. Auch ich habe mich aus heutiger Sicht vielleicht zu wenig darum gekümmert, bei jungen Leuten Werbung zu betreiben. Ich will das aber nicht dramatisieren. Wir haben eine starke Juso-Mannschaft, die sehr motiviert ist und gute Arbeit leistet. Das ist auch die Basis für künftige Personalentscheidungen.
Ihre designierten Nachfolger Michael Groschek und Bernhard Elsemann betonen, die SPD müsse wieder mehr „Bürgerpartei“ werden. Daraus kann man die Kritik ableiten, sie sei es unter Ihnen nicht in ausreichendem Maße. Ziehen Sie sich diesen Schuh an?
Große Brömer: Diesen Schuh ziehe ich mir persönlich überhaupt nicht an, weil wir uns in Oberhausen bemühen, bürgernah aktiv zu sein. Wir sind nach wie vor stark verwurzelt in den Vereinen und Verbänden, Bürgernähe wird bei uns groß geschrieben. Wir haben da geringere Defizite, als das vielleicht in der Außenwahrnehmung der Fall ist. Wir haben aber als Gesamtpartei mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass die alte Basis auf Grund des Strukturwandels nicht mehr vorhanden ist. Da haben wir ad hoc keine Alternativen finden können.
Was bedeutet das für die künftige Parteiarbeit?
Große Brömer: Dass wir die Bürger in einer anderen Art und Weise wahrnehmen müssen, als das bisher der Fall war. Dass wir nicht nur reagieren auf Beschwerden, sondern im Vorfeld mehr auf die Bürger zugehen. Bebauungspläne auszulegen reicht nicht mehr aus. Die Leute erwarten eine andere Art von Information und mehr Transparenz. In letzter Zeit hat sich ein latentes Misstrauen gegenüber Politik entwickelt. Da heißt es dann: „Die entscheiden alles im stillen Kämmerlein und machen sich die Taschen voll.“ Das entspricht absolut nicht der Realität.
"Der Vorsitzende kann Akzente setzen, aber eine Partei ändert sich nicht durch einzelne Personen."
In der Wahrnehmung mancher wird Transparenz auch dadurch erschwert, dass die Entscheidungen in Oberhausen von einem kleinen Kreis von Personen getroffen werden. Ihr Doppelamt mag zu diesem Eindruck beigetragen haben.
Große Brömer: Von den Bürgern bekomme ich das nicht widergespiegelt. Diese Konstruktion ist in der Tat eine Besonderheit und war ein starker Vertrauensbeweis der Partei. Das hat sechs Jahre gut funktioniert, es wurde jetzt aber Zeit, das wieder zu lösen. Die Partei muss gegenüber den Mandatsträgern auch eine Kontrollfunktion haben. Das Signal von Michael Groschek, den Posten des SPD-Generalsekretärs in Nordrhein-Westfalen aufzugeben, war da das richtige Signal zur richtigen Zeit.
Hat sich die Oberhausener SPD unter Ihnen verändert?
Große Brömer: Der Vorsitzende kann Akzente setzen, aber eine Partei ändert sich nicht durch einzelne Personen.
Bleibt es dabei, dass Sie bei der nächsten Kommunalwahl 2014 auch nicht mehr für den Rat kandidieren?
Große Brömer: 2014 bin ich 62 Jahre alt. Wenn ich wieder kandidieren würde, würde ich im Laufe der Ratsperiode das Rentenalter tangieren. Auch Politiker sollten sich an die Altersgrenze halten, man ist nicht unersetzlich. Ob es mir leicht fallen wird, ist eine andere Frage.
Was würden Sie vermissen?
Große Brömer: Wahrscheinlich das, was mich zur Zeit am meisten nervt – den Terminstress. Diese Arbeit ist zeitintensiv, aber sehr spannend, und ich kann sie jedem politisch Interessierten nur empfehlen.
Was würden Sie nicht vermissen?
Große Brömer: Ich hoffe, dass ich dann in einem Zustand bin, in dem ich wirklich nichts vermissen werde. Verzichten kann ich sicherlich auf Situationen, die davon geprägt sind, dass man sich in die emotionale Auseinandersetzung verliebt und die Sache aus dem Blick verliert.