Oberhausen. Seit 2006 war Wolfgang Große Brömer sowohl Ratsfraktions- als auch Unterbezirksvorsitzender der Oberhausener SPD. Nun hat er den Parteivorsitz abgegeben. Im Interview erklärt er warum - und wie sich seine Partei in Zukunft entwickeln soll.

Herr Große Brömer, welche Gründe haben Sie bewogen, nun nach sechs Jahren auf den Parteivorsitz in Oberhausen zu verzichten?

Wolfgang Große Brömer: Ein solche Doppelfunktion als SPD-Ratsfraktionsvorsitzender und SPD-Unterbezirksvorsitzender, die ich seit 2006 nun ausgeübt habe, sollte eigentlich ein reiner Ausnahmefall darstellen. Die personelle Trennung zwischen den beiden Ämtern ist gute Tradition in der Oberhausener SPD.

Was ist daran so schlecht, wenn beide Ämter von einer Person ausgeübt werden?

Große Brömer: Eine solche Amts-Verknüpfung ist in Wahlkämpfen zwar organisatorisch von Vorteil, doch nachteilig ist, dass so eine kritische Meinungsbildung bei ähnlicher personeller Zusammensetzung im Fraktions- und Parteivorstand zu wenig stattfindet. Oft blickt man dann auch nicht über den Tellerrand der alltäglichen Fraktionsarbeit hinaus. Bei einer Trennung der Funktionen kann die Partei, die ja die Basis für politische Entscheidungen bildet, eine Kontroll- und Wächterposition gegenüber den Mandatsträgern einnehmen. Als bekannt wurde, dass Mike Groschek als NRW-SPD-Generalsekretär aufhören würde, war die Gelegenheit günstig, ihn zu fragen, ob er nicht den Vorsitz des Unterbezirks übernehmen wolle.

Es gibt Klagen, die SPD sei in den vergangenen Jahren zu ruhig gewesen. Stimmt die Beobachtung?

Große Brömer: Nun ja, Ruhe kann man positiv wie negativ interpretieren. Für eine Partei ist es immer schlecht, wenn Wähler einen permanenten Streit zwischen Mandatsträgern und Parteiebene erleben. Fruchtbare anregende Unruhe, auch fordernd gegenüber der Ratsfraktion ist aber gewünscht und notwendig. Bisher jedenfalls hat die Partei mit der Fraktion stets solidarisch zusammengearbeitet - und das wird auch so bleiben.

Was ist im Rückblick gut gelaufen, was schlecht?

Große Brömer: Gut gelaufen sind unsere Wahlkämpfe. Vor allem die Kommunalwahl 2009 hat uns organisatorisch das Letzte abgefordert ....

...obwohl ja dann die SPD in Oberhausen mit acht Prozentpunkte im Vergleich zu 2004 massiv verloren hat.

Große Brömer: Ja, der Stimmenverlust hat damals geschmerzt, doch der wurde dann durch den Niedergang der SPD bei der Bundestagswahl 2009 vier Wochen später relativiert. Die Stimmenverluste waren also keine spezielle Oberhausener Besonderheit, sondern dem Bundespartei-Trend geschuldet.

Nicht gut gelaufen ist aber die Mitgliederentwicklung bei jungen Leuten. Wie alle großen Parteien haben wir Nachwuchsprobleme. Selbstkritisch müssen wir Defizite bei der Mobilisierung feststellen.

Sind Stimmenverluste unabänderlich, weil wir einen Trend weg von den Volksparteien erleben? Oder kann die SPD hier wieder auf absolute Mehrheiten hoffen?

Große Brömer: Ich glaube nicht, dass wir eine Rückkehr zum alten Drei-Parteien-System sehen werden. Wir erleben eine Flucht der Bürger aus Vereinen, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften. Darauf müssen wir neue Antworten finden. Der traditionelle Stammwähler stirbt aus, Wechselwähler nehmen zu. Stimmungen als Grundlage für Wahlentscheidungen werden bedeutender. Wahrscheinlich ist, dass die Bürger in keinem Parlament mehr nur noch einer einzigen Partei zutrauen, alleine zu regieren.

In welche Richtung soll sich die SPD hier entwickeln?

Große Brömer: Wir müssen einerseits das Bewährte pflegen, die Verwurzelung in Vereinen und Verbänden vor Ort. Andererseits müssen wir ein Rezept für die neuen Herausforderungen finden: Viele Menschen haben das Gefühl, nicht mehr mitgenommen zu werden, fühlen sich von politischen Entscheidungen überfahren. Wir als SPD müssen deshalb unseren Anspruch als Bürger- und Mitmachpartei erfüllen, in dem wir Anregungen und Initiativen aus der Bürgerschaft aufnehmen und unterstützen.
Das Interview mit Wolfgang Große Brömer führte Peter Szymaniak.