Das abgebrochene Oberlippenbärtchen, der angeklatschte Seitenscheitel und das khaki-braune, scharf auf rechts gebügelte Hemd bleiben im Eichenschrank. Wer so rumläuft, gilt selbst bei den braungeistig Umnachteten nur noch als peinliche Hitlerjugend-Parodie. Nein – der Neo-Nazi von heute ist nicht selten ein ungebügelter Schluffi, den seine ewig-gestrigen Kameraden wohl erst einmal zum Kompaniefriseur oder sonst wohin geschickt hätten. Weniger gefährlich sind sie deshalb nicht. . .
Wie sich der braune Extremismus bei der Jugendkultur anbiedert, das schildert Jürgen Peters, freier Journalist und ein Kundiger auf dem Gebiet nationalsozialistischer „Versteckspiele“, wie er diese Strategien nennt. Denn die Gesinnung sieht man den braunen Gruppierungen erst auf den zweiten Blick an, zeigt Peters Schülern am Sophie-Scholl-Gymnasium in Sterkrade: Die Zahl 18 oder 88 auf Shirts stehen für Buchstaben im Alphabet „AH“ oder „HH“ – manche Codes sind derart platt, dass sie sich an zwei Händen abzählen lassen.
"Lonsdale" distanzierte sich von Ideologie
Andere sind dagegen echte Fehlanzeigen: Seit sich etwa die englische Marke „Lonsdale“ von rechter Ideologie distanziert und sogar Konzerte gegen Rechts gesponsert hat, ist sie aus den Eichefurnierkommoden verbannt. Dafür zog die Eigenproduktion „Consdaple“ ein, weil sich darin nicht nur Rechtschreibfehler, sondern auch die Buchstabenfolge NSDAP verstecken lassen.
Und einige Codes sind sogar schwieriger zu durchschauen: So schlingen sich Nazis gerne mal Arafat- bzw. Pali-Schals um den Hals, um ihre antisemitische Gesinnung auszudrücken. Solches Herumgedruckse und Versteckspielen mit den wahren Absichten geschieht mit voller Absicht: „Neo-Nazis experimentieren heute mehr mit Jugendkultur-Symbolen aus der Metal, Dark Wave und Hiphop-Szene, weil sie sonst den Anschluss an die Jugend verlieren“, sagt Peters.
So sieht der Szene-Kundige auf Demos gerade einmal fünf Prozent Skinheads, der Rest ist ein – mehr oder minder – „bunter Haufen“.
"Es gab mal einen in meiner Klasse"
Am Sophie sind einige Schüler über die Aneignung solcher – „ihrer“ – Symbole durch rechten Extremismus empört: „Ich finde das blöd!“, ruft eine 15-Jährige, „die wollen ein ‘reines Deutschland’ und klauen Symbole aus dem arabischen Raum.“ Doch was kann man tun?, fragen sich einige von ihnen, die Hälfte der über 80 Schüler wäre sogar bereit, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren.
Kontakt zur rechten Szene hatten aber nur einzelne: „Es gab mal einen in meiner Klasse“, erzählt eine Schülerin, „bei dem hätte ich mich auch getraut, ihn darauf anzusprechen“. Doch einfach so jemanden Fremden, der seine Gesinnung auf der Straße zur Schau trägt? Eher nicht – „wir haben doch Meinungsfreiheit.“
Oder Angst? Denn das kann auch gefährlich werden, berichtet ein bei der Antifa engagierter Schüler von einer Begegnung mit Neo-Nazis am Bahnhof: „Ich hatte zum Glück Freunde dabei, es wäre sonst sicher blöd für mich ausgegangen.“ Ein Mädchen erzählt von einem Restaurantbesuch mit ihrer Oma, die ein Kopftuch trägt. „Jetzt müsste Adolf für Ordnung sorgen“, bemerkte jemand.
„Man kann schon ‘was tun, solche Leute in der Nachbarschaft öffentlich machen“, schlägt jemand vor. Wegsehen will keiner. „Den Mund aufmachen“, rät auch Jürgen Peters, wenn Neo-Nazis Kneipen und Jugendzentren besetzen, „sonst nisten sie sich dort ein“.
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