Oberhausen.

„Aufgedreht“: Die 7. Oberhausener Jugendkinotage sind fast abgedreht und Anja Schmid von der Agentur Sehsternchen und Hermann Hanenberg vom Jugendamt, die für die Auswahl der Filme zuständig sind, ziehen am vorletzten Tag des Festivals bereits eine positive Bilanz.

Mindestens so groß wie im vergangenen Jahr sei das Interesse. „Einige der üblichen Verdächtigen sind ausgeblieben, dafür sind neue Besucher hinzu gekommen“, sagt Anja Schmid. „Wir hatten ein besonders gutes Kinojahr und hätten durchaus noch drei bis vier weitere Filme in unseren Querschnitt der besten Produktionen des Jahres 2011, die aus der Perspektive von Jugendlichen erzählt werden, zeigen können“, so Hermann Hanenberg. Acht Beste der Besten waren im Angebot, „Ein Tick Anders“ der am häufigsten gebuchte Film. Ansonsten gebe es nur Zweitgewinner, betonen die beiden Experten für Jugendkino.

„Weil Jugendliche es unattraktiv finden, gemeinsam mit Kindern ins Kino zu gehen, entschlossen wir uns, die Kinder- und Jugendfilmtage zeitlich zu entzerren“, erklärt Anja Schmid die Idee von „Aufgedreht“, einer Filmreihe, die es so nur in Oberhausen gibt. „Vor den Weihnachtsferien ist eine gute Zeit dafür.“

Alles andere als Mainstream

Das fanden auch Schüler des Hans-Böckler-Berufskollegs, die Montag den Film „Westwind“ sahen sich spontan entschlossen, gestern noch mal wieder zu kommen. Ein Beweis dafür, dass auch Filme, die alles andere als Mainstream sind, junge Leute faszinieren, wenn sie gut sind. „Ein Tick anders“ hat die Hans-Böckler-Schüler nicht enttäuscht. Sie sahen den Film, in dem es um Eva, ein Mädchen mit Tourette-Syndrom geht, zusammen mit Schülern der Gesamtschule Osterfeld und der LVR-Förderschule im Gloria-Kino des Lichtburg Filmpalasts.

„Ihr seht einen sehr ungewöhnlichen Film. Es geht um Eva und ihre Familie. Eva hat ein Gewitter im Kopf. Wenn’s passt oder auch nicht schlägt sie Wörter heraus“, stimmt Anja Schmid auf den Film ein. Als „Schluckauf im Gehirn“ stellt Eva im Film ihre Behinderung vor. „Ich würde auch Angst kriegen, wenn ich mich treffen würde.“ Sie ist gleichzeitig Erzählerin und Hauptdarstellerin der Geschichte, wunderbar gespielt von Jasna Fritzi Bauer. „Die Ticks kommen wann sie wollen und nicht, wenn man sie braucht.“

Spontan-Applaus

Sehr liebenswert-verrückt ist auch Evas Familie, allen voran die Oma, bei der die Enkelin alles kaputt machen darf. Als sie es schafft, mit dem Gewehr ein Playmobil-Püppchen von der Schaukel zu schießen, wird sie von den Kino-Besuchern mit Spontan-Applaus belohnt. Es wird viel gelacht und kommentiert. „Boh, is die blöd!“ „Jetzt kommt’s zur Probe!“ „Hammerhart!“ „Eiskalt!“ Ein junges Publikum geht anders mit als Erwachsene in Abend-Vorstellungen. Begeistert ist man, als am Ende das Glück gewinnt. „Jetzt kommt der Junge!“, ruft jemand. Und in der Tat scheint es so als sei es Eva gelungen, einen Freund zu finden, der sie mit ihren Ticks akzeptiert.

Der Vorhang fällt, Anja Schmid erscheint wieder, fordert die Schüler auf, ein Stimmungsbild abzugeben. Die meisten Daumen gehen nach oben, was bedeutet: Es war super. „Mir wäre nach mehr Tourette-Syndrom, gibt’s ‘ne Fortsetzung?“, fragt jemand. Schmid: „Das fragst du am besten morgen nach der Vorstellung den Regisseur.“