Essen/Marl. . Zuletzt wurden wir in „Vincent will Meer“ mit Tourette-Syndrom konfrontiert, diesem eigenartigen Zwang, mitten im Sprechen Flüche und Schlimmeres abzusondern. Die junge Eva in „Ein Tick anders“ nimmt ihre Ticks leicht, denn sie befindet sich in einer märchenhaften Komödie.

Unkontrollierte verbale Ausbrüche mit drastischer Wortwahl in Verbindung mit körperlichen Zuckungen – das Tourette-Syndrom ist eine tückische Krankheit, die schnell zu billigen Witzen verleiten kann. Nach dem letztjährigen Publikumserfolg „Vincent will Meer“ kommt nun ein weiterer Tourette-Film in die Kinos. Gedreht hat ihn Andi Rogenhagen, ein gebürtiger Marler Junge, der sein Werk denn auch hauptsächlich in seiner Heimatstadt realisiert hat. Solcher Lokalpatriotismus wurde bei der Premiere diese Woche im Theater Marl mit donnerndem Applaus belohnt.

Der Film hat eine jugendliche Heldin und er ist auf erfrischende Weise so, wie es der Titel verspricht: „Ein Tick anders“. Es kann eben schnell vorkommen, dass Eva in Gesellschaft anderer Leute unvermittelt pöbelt und flucht. Die Halbwüchsige aus skurrilem Elternhause ist Tourette-krank und alle haben sich längst daran gewöhnt. Als der Vater aber seinen Job verliert und wegen neuer Anstellung ein Umzug nach Berlin droht, ergreift Eva die Initiative. Aber Stellenangebote für Behinderte von Evas Schlag sind rar gesät und auch der Versuch, mit einem Song aus Onkel Bernies Feder bei einer Casting-Show zu landen, schießt übers Ziel hinaus.

Ein Hauch Erich Kästner weht durch den Film

Aber so schnell gibt Eva nicht auf, und plötzlich ist dieser drollige, kleine Film mit seinen Ansätzen zu Märchen und Lovestory auch noch um eine Kriminalgeschichte bereichert. Das klingt nach einer Menge erzählerischem Kuddelmuddel und genau genommen ist es das auch. Aber es unterhält enorm gut, weil das Temperament Erich Kästners den Film durchweht, die Gags wirklich witzig sind und weil es eine außerordentliche Hauptdarstellerin gibt. Jasna Fritzi Bauer ist eine echte Entdeckung, die nach Karoline Herfurth und Johanna Wokalek zu einer Schauspielerin avancieren kann, die allein den Kinobesuch schon lohnt. Eine erste Hausnummer hat sie mit diesem Film gesetzt.