Oberhausen. Kinder spielen Märchen - ein Projekt der Kleinstädter Bühne in Sterkrade
Zweimal erklingt der Gong im Lito-Palast so laut, dass die rund 300 Kinder und Erwachsene schnell zu ihren Plätzen eilen. „Zu spät, zu spät“, ruft das weiße Kaninchen, das auf der Bühne umher hüpft, dabei immer wieder auf seine Taschenuhr schaut. „Zu spät“, verschwindet es hinter den dicken Vorhängen - und lädt sein Publikum ein, ihm sogleich zu folgen: Willkommen bei „Alice im Wunderland“.
Nicht die klassische Geschichte, sondern eine witzige und moderne Neubearbeitung des Kinderbuchs von Lewis Carroll erwartet die Zuschauer mit dem neuen Kinderstück der Kleinstädter Bühne: Im Wunderland trifft Alice (Bianca Poersch) auf die ewig fluchende Pizza-Prinzessin (Davina Muzik), die für ihre Herzkönigin (Christina Schlegl) ein neues Gericht erfunden hat: Schokoladenpizza mit Ketchup und Mayo.
Kinder spielen für Kinder
Dumm nur, dass die beiden wichtigsten Zutaten verschwunden sind: Mayo (Julia Cyzewski) und Ketch (Delia Knese) - „Nenn mich nicht Ketch-Up, da krieg ich Schluckauf“ - nehmen Reißaus, weil sie für so eklige Dinge wie Pommes Rot-Weiß herhalten sollen. Da muss der weiße Hase (Lucy Bongartz) ran, um sie zu suchen. Alice irrt derweil durch den Wald des Vergessens, trifft auf bekannte Charaktere wie die schläfrige Raupe (Alexander Büschken) und die Grinsekatze (Diego Tenore) - findet aber vor allem in dem Schnitzelschwein Miss Pinkie (Michelle Gruber) eine gute Freundin.
„Kinder spielen für Kinder“ – seit zehn Jahren gilt das an der Kleinstädter Bühne als Erfolgskonzept. Diesmal ist es eine farbenfrohe und rasante Geschichte mit so vielen Charakteren, dass die 15 Jungschauspieler teils bis zu drei Rollen zu besetzen haben. Bunt sind die vielen Kostüme, das Bühnenbild ist vielseitig und liebevoll hergerichtet.
Kinder singen und klatschen
Mit ihrem Publikum interagieren die jungen Schauspieler so gekonnt wie die Großen: Ob es darum geht, Alice zu suchen oder einen neuen Namen fürs Schnitzelschwein zu finden – die Kinder im Zuschauerraum helfen fleißig mit, singen und klatschen, wenn auf der Bühne ein kurzes Lied angestimmt wird.
„Ich finde es toll, das Publikum zum Lachen zu bringen“, sagt Lucy Bongartz nach der Premiere am Samstag. In ihrem Hasenkostüm ist sie umringt von Zuschauern – traditionell geben die Darsteller nach einer Aufführung noch Autogramme. Ebenso eine Tradition ist es, dass beim Kindertheater fast ausschließlich Märchen aufgeführt werden.
"Märchen nicht vergessen"
„Märchen dürfen nicht in Vergessenheit geraten“, sagt Regisseurin Gertraud Veerbeck. Was soll Alice im Wunderland den Kindern mitgeben? „Dass Fantasie wichtig ist und man sich die von Erwachsenen nicht austreiben lassen sollte“, meint Lucy Bongartz.
Für ihr kleines Publikum macht die Kleinstädter Bühne vieles möglich: Seit einigen Vorstellungen gehört auch ein taubstummes Mädchen zum Fanclub. Damit das Kind die Geschichte von Alice auch versteht, hat Veerbeck eine Zusammenfassung des Stücks an seine Betreuerin geschickt. Sie übersetze es während der Vorstellung in Gebärdensprache.
Auch 2012 führt die Kleinstädter Bühne wieder ein Kinderstück auf: „Dornröschen“ oder „Schneeweißchen und Rosenrot“ soll es sein.