Oberhausen. Anke Weingarte hat eine Mission. Sie möchte Oberhausener Kinder für das Theater gewinnen. In Schulen ist sie unterwegs, redet mit Lehrern und Schülern. Nach anderthalb Jahren zieht Weingarte eine erste Bilanz.
Von einer, die auszieht, fürs Theater zu begeistern: Seit August 2008 ist Anke Weingarte (43) in Kindergärten, Grund- und weiterführenden Schulen unterwegs. Ihre Mission: auch diejenigen fürs Schauspiel zu gewinnen, „deren Eltern schon aufhörten, es zu besuchen.“
„Es hat sich was getan, aber ich müsste noch eine Steigerung erreichen“, bilanziert sie die ersten anderthalb Jahre ihrer Oberhausener Zeit. „Es sind die Kontraste, die an meiner Arbeit so reizvoll sind, ich habe mit der Theaterleitung ebenso zu tun wie mit Erzieherinnen in Kindergärten.“
Schulvorstellung von "Mio" ist Publikumsmagnet
Es ist elf Uhr, als ich die Theaterpädagogin am Bühneneingang treffe. Die Bus-Kolonne, die vor dem Theater parkt, lässt es erahnen: Alle 460 Plätze im Großen Haus sind ausverkauft. Die „Mio“-Schulvorstellung ist nach wie vor Publikumsmagnet. Auch der Malersaal ist voll. „Cyrano“ ist nicht minder ein Erfolgsprojekt. Eine Stunde hat Anke Weingarte Zeit, dann muss sie mit den jungen Zuschauern über die Aufführung reden. Nachbesprechungen gehören zum Schul-Angebot.
Jetzt spricht sie erst einmal über sich und ihre Arbeit und darüber, wie sie nach Oberhausen kam. Von ihrem Büro aus blickt man auf den Will-Quadflieg-Platz. „Die Aussicht ist im Sommer, wenn die Bäume grün sind, besonders schön. Von hier aus kann ich sehen, wer ins Ebertbad und wer ins Theater geht.“
„Verheiratet, Mutter von zwei Kindern“ hatte Anke Weingarte ganz oben auf ihre Bewerbung geschrieben, um klar zu stellen, dass es für sie nicht nur die Arbeit, sondern auch die Familie gibt. Trotzdem wurde sie eingeladen. „Das Vorstellungsgespräch lief gut. Dann sagte ich, ich wollte nur eine Dreiviertelstelle. Das geht am Theater ja gar nicht, ich weiß, aber anders geht’s bei mir eben nicht.“ Dass es jetzt doch geht, spricht für sie und ihr Marketing-Konzept. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, Nicole Schillinger, hatte Anke Weingarte nicht vor, Theater-Spielwerkstätten (TSW) selbst zu leiten. „Das schafft man auch nicht von acht bis 14 Uhr.“ Was man aber doch schafft ist, in Schulen vorstellig zu werden, und zwar bereits, bevor ein neues Schuljahr beginnt.
"Ich brauche nur drei Minuten"
Mit dem Versprechen „ich brauche nur drei Minuten“, erwirkte sie Einladungen zu mindestens neun Lehrerkonferenzen am Ende der Sommerferien. Dort stellte sie die neue Broschüre des Theaters mit den Stücken vor, die Klassen unbedingt sehen sollten und machte den Kollegen unmissverständlich klar, dass der Theaterbesuch zu jedem Schulfach gehört, der „Törleß“ zu Deutsch, „Tartuffe“ zu Französisch, „Never too Loud“ zu Musik oder „King A“ mit seinen Kämpfe austanzenden Hip-Hop-Rittern zum Sport. Sie fügte hinzu, dass ein Theater-Erlebnis den Unterricht nicht nur sinnvoll ergänzt, sondern ihn unterstützt und bereichert. Das gilt auch für Schulbesuche, die Anke Weingarte macht, um junge Leute oder auch Lehrer auf eine Inszenierung vorzubereiten. „Das bekommen Sie alles kostenlos, wenn Sie dafür ins Theater kommen“ – ohne Vorstellung gibt’s bei Anke Weingarte kein pädagogisches Angebot, keinen Blick hinter die Kulissen bei Theater-Führungen und keine Unterstützung von Klassen, die ein Stück einüben.
„Es ist wichtig, dass Jugendliche selbst Theater spielen und wir wollten die TSW ja auch nicht aufgeben, aber es ist unser Ziel, dass sie Theaterstücke sehen.“ Entsprechend dieser Philosophie sind die TSW zunächst von Marion Soufi Siavash und dann von Barbara Grubenbecher weitergeführt worden und Günfer Cölgecen leitet die „TSW 14 plus“.
Theaterpädagogik hat Anke Weingarte nicht studiert. „Ich bin Quereinsteigerin.“ Sie wollte Dramaturgin werden, „aber dann arbeiten Sie täglich zwölf Stunden“. Pädagogische Erfahrung mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen brachte sie mit und wie man Kleinkindern Theater erklärt, kann sie täglich zu Hause üben. So fürchtete sich die Tochter (4) nicht, als bei „Peterchens Mondfahrt“ im Gasometer Annelieses Puppe vom bösen Mondmann gefressen wurde, denn sie wusste ja, dass es geschehen würde. Ergebnis: „Sie fand die Aufführung toll.“