Oberhausen. Die Telefonseelsorge registriert dieser Tage manchen Anruf von Menschen, denen es vor der „Stillen Nacht“ schon jetzt graut.
Der Advent gilt den meisten als Zeit der Vorfreude, umweht von Plätzchenduft und festlichen Klängen. Da wird dekoriert und vorbereitet, da werden Geschenke gekauft und Grußkarten geschrieben. Doch je mehr die Stimmung bei den einen ihrem weihnachtlichen Höhepunkt entgegensteigt, desto mehr sinkt sie bei manch anderem – weil er weiß, dass er das Fest allein verbringen wird. „Es gibt Leute, die dem Tag schon jetzt mit Grauen entgegensehen“, sagt Olaf Meier, Leiter der Telefonseelsorge Duisburg Mülheim Oberhausen.
Kein anderer Tag ist sozial besser abgefedert
Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Hilfsangebots ist die Weihnachtszeit durchaus eine intensive – wobei die landläufige Vorstellung, dass gerade an Heiligabend das Telefon nicht stillsteht, nur bedingt zutrifft, sagt Theologe und Psychologe Meier. „Es gibt in Deutschland keinen Tag mehr, der sozial so gut abgefedert ist wie Heiligabend.“ Zum einen gebe es viele öffentliche Angebote, zum anderen seien die Menschen dann eher bereit, Ältere und Alleinstehende einzubinden.
Kritischer sehe die Sache an Silvester aus. „Da will jeder mit seiner Clique zusammen sein. Wer einsam ist, hängt dann wirklich sehr in den Seilen.“ Für die Telefonseelsorge ist es deshalb auch besonders schwierig, Ehrenamtler für den Einsatz zum Jahreswechsel zu finden, schwieriger noch als für den 24. Dezember.
Verarbeitung der Geschehnisse nach Weihnachten
Auch zwischen Weihnachten und Neujahr ist die Seelsorge sehr gefragt. Neben der Einsamkeit sind es nämlich vor allem „zerschlissene, zerrissene, zerreißende Beziehungen“, die die Anrufer beschäftigen. „Da kriegen wir oft eine Verarbeitung des Geschehens mit. Es wird bilanziert, was an Weihnachten gelaufen ist – oder eben nicht.“
Mit wie vielen Anrufen über Weihnachten zu rechnen ist, sei schwer absehbar, sagt Meier. In der Regel sind es an den drei Feiertagen rund 150, was in etwa dem Alltagsschnitt entspricht. Vergangenes Jahr allerdings registrierte die Telefonseelsorge ob des Schneechaos’ deutlich mehr Gesprächsbedarf: 250 Menschen wählten die Nummer des Dienstes. „Da hieß es dann oft: Meine Kinder können nicht kommen, für mich ist das Fest gelaufen.“
Gespräche dauern im Schnitt eine halbe Stunde
Eine halbe Stunde dauern im Mittel die Gespräche. Wie gehen die Mitarbeiter auf jemanden ein, der sich heute vor Weihnachten ängstigt? „Wir überlegen gemeinsam, welche Möglichkeiten es gibt, den Tag zu gestalten“, erklärt Meier. „Wir fragen die Anrufer, was ihnen gut tut. Das kann ein Bad sein oder ein schönes Buch.“
Die Notwendigkeit von Überlebensstrategien fürs Fest spürt der Seelsorger auch angesichts manches Anrufers, der sich schon mal versichert, im Notfall einen Ansprechpartner zu finden. „Sind Sie wirklich immer da, auch an Weihnachten?“, fragen diese Anrufer. „Sind wir“, verspricht Meier dann. „24 Stunden lang.“
Info: Telefonseelsorge
Die Telefonseelsorge Duisburg Oberhausen Mülheim ist rund um die Uhr zu erreichen unter Tel. 0800/11 10-111 oder -222. Das Angebot ist kostenlos und anonym, Nummern von Anrufern werden nicht angezeigt. Die Helfer sind stets auf der Suche nach Mitstreitern. Wer sich für das Ehrenamt interessiert, meldet sich unter Tel. 0203/ 226 57. Im neuen Jahr gibt es in Duisburg einen Informationsabend: Montag, 16. Januar, 19 Uhr, Haus der Ev. Kirche, Burgacker 14-16.