Die Katholische Kirche in Oberhausen hat ein schweres Jahr hinter sich. Die Affäre um Propst Bernward Mezger enttäuschte so manchen Christen. Andere sprachen von Denunziantentum.

Der neue Pfarrer der Großpfarrei Herz Jesu und Stadtdechant Dr. Peter Fabritz (44) erzählt im WAZ-Interview mit Redakteurin Andrea Micke, wie er sich den weiteren Weg der Katholischen Kirche 2011 vorstellt.

Wie gehen Sie auf die Menschen zu, die wegen der Affäre aus der Kirche ausgetreten sind?

Fabritz: Vom Pfarrgemeinderat wurde ein Brief entworfen, der allen zugeschickt worden ist, die sich von der Kirche abgewandt haben. Dort werden die Telefonnummern der Pastöre der Herz-Jesu-Pfarrei angegeben mit der Bitte, sie anzurufen. Es gibt ja auch ansonsten viele Gründe für Menschen aus der Kirche auszutreten. Finanzielle Aspekte, Unzufriedenheit mit der Hauptkirche, den Zölibat, Homosexualität. Ich erfahre immer wieder, wenn diese Thematiken offen angesprochen werden, beeindruckt das die Menschen.

Ist die Zahl der Austritte denn angestiegen aufgrund der Ereignisse des vergangenen Jahres?

Unwesentlich. So einen richtigen Ausreißer hat es nicht gegeben.

Sollte man Priestern in ihrem Privatleben nicht mehr Freiheiten gewähren?

Der Beruf des Priesters und sein Privatleben müssen eine Einheit bilden. Ich verliere meine Glaubwürdigkeit, wenn ich für die Armen predige und dann mit einem dicken Mercedes ins Wochenende fahre.

Als Pfarrer einer Großpfarrei sind Sie Chef eines mittelständischen Betriebes. Wie halten Sie sich Freiräume offen, um Priester und Seelsorger sein zu können?

Grundsätzlich ist alles Seelsorge, was ich tue. Und man ist immer Priester. Auch die Pfarrei Herz Jesu hat einen Haushalt zu verwalten, aber wir dürfen uns nicht bereichern. Alle wirtschaftlichen Beschlüsse, die der Kirchenvorstand trifft, haben seelsorgerische Aspekte. Ich beginne alle Kirchenvorstandssitzungen mit einer geistlichen Betrachtung, dass wir das, was wir jetzt tun, für die Menschen tun.

Sehen Sie im Rahmen des Modells Großpfarrei einen gangbaren Weg, Pastoral- als Beziehungsarbeit zu gestalten?

Pastoral- ist für mich grundsätzlich Beziehungsarbeit. Sie bedeutet für mich, Menschen in ihrer Beziehung zu Gott zu unterstützen. Damit fördere ich dann auch die Beziehung der Menschen untereinander, denn die Nächstenliebe ist ein wichtiges Gebot. Ziel ist es außerdem immer, den Glauben in der Gemeinde gemeinsam zu leben.

Wie könnte es in der Praxis aussehen, den Glauben gemeinsam zu leben?

Es muss Orte geben, an denen der Glaube gelebt werden kann.

Muss die Kirche ihre Angebote erweitern, um Menschen anzusprechen?

Ja. Ich überlege zum Beispiel einen Literaturkreis zu gründen. Da könnte man etwa über das neue Buch des Papstes sprechen, das ja viele Fragen aufwirft. Oder wir könnten mit einer Gruppe zum Weltjugendtag in Madrid fahren und die Jugendlichen vorher entsprechend auf das Ereignis vorbereiten.

Was glauben Sie, ist den Gläubigen besonders wichtig im Kontakt zur Kirche?

Wir Priester müssen ansprechbar sein. Die Menschen wollen den persönlichen Kontakt. Deshalb versuche ich immer, Zeit für sie zu haben. Die Menschen müssen übers Herz angesprochen werden, das geht im persönlichen Gespräch besser. Beim Weltjugendtag hat der Papst gesagt, wie schwer es ihm fällt, dass er nicht jeden Jugendlichen einzeln in den Arm nehmen kann. Das hat mich sehr beeindruckt.

Im persönlichen Gespräch erreichen Sie Einzelne, aber wäre es gleichzeitig nicht auch wichtig, die Masse anzusprechen?

Natürlich, die Event-Kultur macht auch vor der Kirche nicht halt. Ich fände es zum Beispiel toll, Günther Jauch, der ein überzeugter Christ ist, zu einem Fastengespräch in die Herz-Jesu-Kirche einzuladen.

Zu Oberhausen und ihrer neuen Pfarrei: Sind Sie hier angekommen?

Bin ich. Allerdings hatte ich kaum Zeit, darüber nachzudenken. Nach nur einem Monat als Pfarrer in Oberhausen kam das Amt des Stadtdechanten hinzu. So musste ich gleich die Stadt kennenlernen. Bin von sehr vielen Menschen eingeladen worden. Parallel habe ich versucht, mich mit meiner neuen Pfarrei vertraut zu machen. Ich war überrascht, wie viele Menschen schon über den eigenen Kirchturm hinausblicken und ein Bewusstsein für das Ganze entwickelt haben. Andererseits merke ich, wie unterschiedlich die einzelnen Gemeinden der Pfarrei sind. Als Pfarrer sehe ich meine Aufgabe darin, die Menschen aus den Gemeinden zusammen zu führen. Die Zahl der Katholiken geht zurück. Den Weg in die Zukunft kann man nur gemeinsam gehen.