Oberhausen.

Für den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in ihren Romanen und Dramen erhielt Elfriede Jelinek den Literatur-Nobelpreis im Jahr 2004. Sie auf der Bühne zum Klingen zu bringen, ist eine Herausforderung für den Dramaturgen und den Regisseur, weil sie die Handlung aus dem sprachlichen Geflecht herauslesen und den nicht einfach zu entschlüsselnden Text den agierenden Schauspielern zuordnen müssen.

In der „Winterreise“ ist das besonders schwer, weil es das persönlichste Drama der Autorin ist, das zugleich biografische Elemente enthält und ein kritischer Blick auf die Gesellschaft ist. Besser als in der Oberhausener Inszenierung von Intendant Peter Carp könnte das kaum gelingen, sind drei Zuschauer überzeugt, die kurz nach der Vorstellung ihre ersten Eindrücke schilderten. Zwei von ihnen gingen eher skeptisch in die Premiere, höchst angetan kamen sie wieder heraus.

Schon doll, was die hier auf die Bretter bringen

Wo soll ich anfangen? Zum ersten Mal habe ich ein Jelinek-Stück gesehen, habe versucht, sie zu lesen, das hat aber überhaupt nicht funktioniert. Ich stand mit Jelinek auf Kriegsfuß, doch ich ändere ab heute meine Meinung.

Es war sehr anstrengend aber sehr beeindruckend. Das Bühnenbild war unglaublich.

Jelinek spielt wirklich mit den Worten. Ich fand’s stellenweise auch sehr lustig. Der Lebensfluss kam immer wieder durch. Das Ensemble war wieder ganz toll, ich weiß gar nicht, wen ich da hervorheben soll. Vielleicht Hartmut Stanke, diese Sensibilität, mit der er die Rolle des Vaters gespielt hat, das ging mir richtig unter die Haut. Mit sehr gemischten Gefühlen bin ich hingegangen, jetzt bin ich total positiv überrascht.

Es war keine Minute langweilig. Das ist ein Stück zum Nachdenken. Ich werde nachher bestimmt noch lange wach liegen und ich weiß jetzt schon, dass ich die Winterreise nicht zum letzten Mal gesehen habe. Es hat mich gepackt. Schon doll, was die hie auf die Bretter bringen. Ich bin begeistert und damit hatte ich nicht gerechnet. Es war ein toller Abend. Christine Pasquale

Beeindruckende Kulisse gezaubert

Zum ersten Mal habe ich ein Jelinek-Stück im Theater gesehen und ich fand’s toll. Den Film „Die Klavierspielerin“ finde ich allerdings auch ganz fantastisch. Diese Inszenierung der „Winterreise“ gefällt mir sehr gut. Vom Text her so dicht, ganz hervorragend gespielt. Besonders beeindruckend sind Anja Schweitzer und Hartmut Stanke in der Rolle des Rentners. Das Bühnenbild war toll, die haben eine beeindruckende Kulisse gezaubert.

Als ich kam war ich hundemüde. Jetzt komm’ ich gut nach Hause, es war klasse. Das Theater hier hat mich gepackt. Es ist nicht anbiedernd, immer wieder begeisternd. Dass ein Theater so verwurzelt ist in einer Stadt, erlebe ich hier zum ersten Mal. Jörn Vanselow

Der Text hat nun ein Gesicht

Zum ersten Mal überzeugt mich ein Jelinek-Text. Ich habe zwar schon einmal „Die Liebhaberinnen“ gelesen, aber nicht bis zum Ende. Ich bin begeistert von der schauspielerischen Leistung. Besonders faszinierend finde ich das Thema Leben und Zeit Eine klasse Aussage: Das Leben ist schneller als die Zeit. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden thematisiert. Es stellt sich die Frage: Was mache ich aus meinem Leben?

Eine besonders beeindruckende Leistung ist der lange Monolog von Anja Schweitzer. Und wie Hartmut Stanke den Demenzkranken spielt ist brillant. Ich musste schlucken. Es ist faszinierend wie der Text in Rollen umgesetzt wird, ohne ihnen Namen zu geben. Der zweite Teil hat mich echt umgehauen. Stanke hat’s super rübergebracht. Eine klasse Leistung, ganz hervorragend. Der Text hat durch die Figuren nun ein Gesicht bekommen, die Bilder stützen den Text, ich werde ihn jetzt mal lesen. Toll, dass Carp sich da herangewagt hat. Franz Muckel