Oberhausen. Die Evangelische Gemeinde Holten-Sterkrade veröffentlicht die Namen Verstorbener, deren Angehörige das Grab nicht pflegen – Pranger oder Notwendigkeit?

Wie weit darf eine Gemeinde gehen, um Angehörige von Verstorbenen auf ihre offenbar vernachlässigten Pflichten in Sachen Grabpflege und mögliche Konsequenzen hinzuweisen? Diese Frage entzweit die Gemüter. Die Evangelische Gemeinde Holten-Sterkrade greift zu einem – wie mancher findet – nicht akzeptablen Mittel: Sie macht den Aufruf einmal im Jahr, so auch jüngst wieder, unter den „Bekanntmachungen“ in der Tagespresse publik – inklusive der Namen der Verstorbenen.

Eine „unglaubliche Diskriminierung der Hinterbliebenen“ sieht darin NRZ-Leser Kurt Melzer. „Pietät wird hier dem krankhaften Streben nach Ordnung geopfert.“ Die Betroffenen, zu denen Melzer nicht zählt, sieht er an den Pranger gestellt. „Dass Leser dieser Bekanntmachung die Hinterbliebenen auf ihre Grabpflegepflicht hinweisen sollen, ist an Unverschämtheit kaum zu überbieten.“

Superintendent: „Das letzte Mittel“

Der Superintendent des Evangelischen Kirche in Oberhausen, Joachim Deterding, hat Verständnis für das Unbehagen angesichts der Bekanntmachung, die zudem ausgerechnet an Allerheiligen erschien. Er verteidigt jedoch das Vorgehen der Gemeinde. Es sei im Einklang mit der geltenden Friedhofsordnung. Die Gemeinde müsse sich rechtlich absichern, bevor sie Gräber einebne.

Deterding betont, dass die Geschichte einen Vorlauf habe. Vor einem halben Jahr seien die Angehörigen erstmals angeschrieben worden, mehrere Wochen später erneut. Zudem habe man auf Schildern an den Gräbern um Rücksprache gebeten. „Auf all das ist nicht reagiert worden.“ Die Bekanntmachung sei „das letzte Mittel“. Eine Prangerwirkung kann Deterding darin nicht erkennen.

Vom Presbyterium beschlossen

Warum andere Gemeinden nicht zu diesem letzten Mittel greifen? Vielleicht seien andere zurückhaltender, so Deterding, aber „grundsätzlich ist es ein Vorgang, der in der Friedhofsordnung steht“. Die sei vom Presbyterium beschlossen und von der Bezirksregierung genehmigt. „Das ist keine reine Willkür, sondern gut abgesichert und durchdacht.“

Dass die Veröffentlichung, die immer um diese Jahreszeit erfolge, diesmal zufällig auf Allerheiligen fiel, sei freilich „unglücklich, schließlich kommen an diesem Tag viele Emotionen hoch“. Er habe die Gemeinde gebeten, künftig dafür Sorge zu tragen, dass die Bekanntmachung an einem anderen Datum erscheint. Gerne, so betont Deterding, sei er zudem bereit zum persönlichen Gespräch mit Hinterbliebenen, die sich durch den Vorgang verletzt fühlten.

Grundsätzlich ist das Friedhofsrecht in Deutschland durch die einzelnen Bundesländer geregelt. Kommunen oder Kirchengemeinden dürfen aber für die Friedhöfe, die in ihrer jeweiligen Zuständigkeit liegen, ergänzende Regelungen treffen. In diesen individuellen Friedhofsordnungen können sie etwa Detailfragen zu Gestaltung und Pflege der Grabstätten regeln und Vorgaben machen.