Oberhausen. Kristina Henschel (32) ist Mitarbeiterin der Kurzfilmtage Oberhausen - und gewissermaßen die Chefdetektivin des Festivals. Für das diesjährige Sonderprogramm “Das Kino der Tiere“ muss sie weltweit aus Filmarchiven gutes Material heranschaffen.
Das Leuchten in den Augen von Kristina Henschel (32) angesichts morgendlicher Paketlieferungen steht dieser Tage dem von Kindern, die nach eifriger Entdeckerarbeit auf ihr Osternest stoßen, in nichts nach. Gerade an diesem Morgen hat die Mitarbeiterin der Kurzfilmtage wieder zwei große Kisten mit filmischen Fundstücken ausgepackt. Kristina Henschel ist gewissermaßen die Chefdetektivin des Festivals. Ihr Auftrag: Brauchbare Exemplare jener 90 Werke zusammentragen, die im diesjährigen Sonderprogramm „Das Kino der Tiere“ laufen sollen.
Es ist das dritte Sonderprogramm, für dessen Realisierung die Film- und Theaterwissenschaftlerin, die vor zehn Jahren als Praktikantin zu den Kurzfilmtagen stieß, verantwortlich zeichnet – aber so schwierig war die Recherche noch nie. „Es handelt sich zum Teil um rein wissenschaftliche Filme, die sehr lange nicht gezeigt wurden.“ Henschel hat es zudem mit ganz anderen Archiven und Filmemachern zu tun als sonst. Da muss sie dann erstmal erklären, warum das Werk überhaupt auf einem Festival gezeigt werden soll. „Sind sie Biologin oder Ethnologin?“, fragte die Frau eines Schweizer Filmemachers am Telefon in breitem Akzent.
Das Detektivspiel begann
Ausgewählt haben die Werke, auf die Henschel nun Jagd macht, der Naturwissenschaftler Cord Riechelmann und Filmfachmann Marcel Schwierin. Sie zu beschaffen, ist Henschels Aufgabe. Mitte Februar hat sie die Liste der Kuratoren bekommen – das Detektivspiel begann. „Man jagt die Filme über verschiedene Kontinente, bei drei oder vier sind wir erst in den USA fündig geworden.“ Gerade wartet Henschel auf Nachricht aus einem russischen Archiv. „Bei drei haben wir angefragt, bei zwei hatten wir kein Glück, bei einem steht die Rückmeldung noch aus.“
Doch selbst wenn Henschel endlich weiß, wo sich ein Film befindet, ist die Sache noch nicht in trockenen Tüchern. Weil es sich um so selten vorgeführte Werke handelt, kam es vor, dass das Archiv den Film zwar fand, aber feststellte, dass er beschädigt war. „Das ist uns zwei oder drei Mal passiert. Dann muss man wieder von vorne anfangen.“ Zurückgeworfen wurde die Mission auch durch die Nachricht, dass ein weltweit einzigartiges wissenschaftliches Filmarchiv in Göttingen Insolvenz anmelden musste und abgewickelt wird – von dort war nichts mehr zu kriegen.
Gut die Hälfte beisammen
Gut die Hälfte der 90 Filme auf ihrer Liste hat Henschel trotz aller Widrigkeiten inzwischen beisammen. Bei der Recherche steht ihr eine Assistentin zur Seite – „einer alleine schafft das nicht“. Außerdem kann sie auf ein dichtes Netz von Kurzfilmtage-Freunden in der ganzen Welt bauen. Da bekommt sie dann schon mal „einen wichtigen Hinweis aus Armenien“. Henschel: „Wenn wir die Leute vor Ort nicht hätten, wäre es wirklich schwierig.“ Zumal die Kurzfilmtage nicht auf die Recherchen anderer Festivals zurückgreifen können – das Tierthema ist in der Form neu.
Ob es Henschel nicht manchmal wurmt, dass die Kuratoren freihändig die Auswahl treffen und sie mit der Suche allein lassen? „Nein. Bei ganz kniffeligen Sachen haben wir uns auch nochmal besprochen, sie haben dann zum Teil mit eigenen Kontakten geholfen.“
Und wenn selbst das nichts bringt? Hat sie schon mal einen Film aufgeben müssen, der absolut unauffindbar war? „Noch nie, und ich hoffe, das muss ich auch diesmal nicht. Ich bin Optimistin.“