Oberhausen. . Viele Jahre arbeitet Maria Müller (Name geändert) als Wirtschafterin in einem Bordell in Oberhausen. Sie kümmert sich um die Frauen und liebt ihren Job. Außer einer Freundin weiß allerdings niemand, wo die heute 71-Jährige arbeitet.
Maria Müller (Name geändert) ist seit vielen Jahren Wirtschafterin dieses Hauses. Aber nur eine ihrer Freundinnen weiß, wo sie arbeitet. „Den anderen habe ich das nie erzählt“, sagt sie. Denn hätten sie sich negativ über die Prostituierten geäußert, „dann hätte ich mich nicht mehr mit meinen Freundinnen treffen können. Ich hätte mich schützend vor die Frauen hier im Haus gestellt.“
Wie sie überhaupt zu ihrem ungewöhnlichen Job gelangte? Die gelernte Arzthelferin war mit dem Pächter eines der Häuser gut befreundet. So kam es, dass sie, als ihr erster Mann verstarb, zunächst Nachtwirtschafterin im Haus des Bekannten wurde. Später wechselte Maria Müller, da war sie 45 Jahre alt, in die Tagschicht des Hauses, dem sie nun schon seit so vielen Jahren die Treue hält. Ihr zweiter Mann habe es auch nicht so gern gewollt, dass sie nachts arbeitet.
"Wir haben selbst schon Sprachkurse mit den Frauen gemacht"
Nun beginnt jeder ihrer Arbeitstage um 7.40 Uhr und endet um 19 Uhr. „Und wenn Sie mich fragen, wie lange ich das überhaupt noch machen möchte, bis sie mich mit den Füßen zuerst hier raustragen.“ Die 71-Jährige lässt überhaupt keinen Zweifel daran: „Wenn man diese Arbeit nicht mit Liebe macht, kann man das vergessen.“
Sie kümmert sich um die Frauen. Macht ihnen Frühstück. Kocht Mittagessen. „Das Essen für die Mädchen, das war die Idee meines Chefs“, sagt sie über den Essener (71), dem dieses Haus und ein weiteres an der Flaßhofstraße gehören. Und sie schwärmt von ihrem „guten Chef“. Sie schwärmt auch von den Mädchen. Die kommen aus aller Herren Länder. Sprechen Spanisch, Italienisch, Französisch oder Bulgarisch. „Wir haben selbst schon Sprachkurse mit den Frauen gemacht“, erzählt sie.
„Ich verstehe mich gut mit den Mädchen“, sagt die Wirtschafterin. Mit dem Essen gebe es auch keine Probleme. Trotz der Nationalitätenvielfalt gewöhnten sie sich an die deutsche Küche.
"Ich erkenne die Frauen allein schon am Schritt"
Maria Müller arbeitet im größten Haus an der Flaßhofstraße. 37 Zimmer gibt es dort. Und die Frauen kommen auch mit ihren Problemen zu ihr. „Am meisten leiden sie unter der Trennung von Zuhause“, sagt die Wirtschafterin. Viele hätten daheim auch noch Kinder. „Die erste Zeit haben sie meist Heimweh.“
Maria Müller sitzt jetzt an einem großen Schreibtisch im Essraum. Während sie erzählt, beobachtet sie auf zwei Monitoren den hinteren Eingangsbereich des Hauses. Hier kommt niemand einfach so rein. Gekobert, verhandelt, wird im vorderen Bereich des Gebäudes, wo die Frauen die Männer empfangen. „Das gerade war ein Stammfreier von Tina“, sagt Maria Müller über einen Mann, dem sie die Tür aufgedrückt hat. Eine Ausnahme. Als eine Frau irgendwo die Treppe heruntergestöckelt kommt, nennt sie sofort deren Namen und erklärt: „Ich erkenne die Frauen allein schon am Schritt.“ Kein Wunder, wenn man seinen Job mit so viel Liebe macht.
Bockschein sollte wieder eingeführt werden
Der 71 Jahre alte Chef des Unternehmens sitzt in seinem Büro im Keller des Hauses an der Flaßhofstraße und berichtet von den Entwicklungen da draußen, die sein Geschäft gefährden. Aber nicht nur das, auch das Leben von Menschen. Der Essener sieht sich als Geschäftsmann. Die Bordelle, die ihm im Oberhausener und Essener Rotlichtmilieu gehören, sind Teil seines Geschäftes.
Oberstes Gebot für die Frauen, die in seinen Häusern arbeiten: nur mit Kondom. Dass Freier hier nicht mal eben so „ohne“ zum Zug kommen, steht schon draußen am Haus an einer Hinweistafel. Und so wissen die Männer, die an diesem Tag durch Oberhausens Rotlichtmeile streifen, mit den Frauen verhandeln, genau, was sie hier nicht kriegen werden.
Hier nicht, woanders schon. „Die Geschlechtskrankheiten nehmen wieder zu“, sagt der 71-Jährige. Nicht mal mehr Aids fürchteten die Männer. Er habe von Gästen gehört, denen in Dortmund auf dem Straßenstrich Sex für 20 Euro ohne Kondom angeboten wurde. Er erzählt auch, wie sehr etwa osteuropäische Frauen von ihren Zuhältern unter Druck gesetzt würden. Sie hätten keine Wahl. „Die Freier kann man nicht überzeugen“, sagt der Geschäftsmann. Die nähmen, was ihnen geboten würde. Und der Sohn des 71-Jährigen berichtet von Beobachtungen auf dem Straßenstrich der Junkies, die auch „ohne“ arbeiteten: „Da fahren dann die tollsten Karossen lang, wo hinten ‘Kevin an Bord’ darauf steht.“
Klage gegen „Sex-Steuer“
Vor diesem Hintergrund wünscht sich der Bordellbetreiber die Wiedereinführung des sogenannten Bockscheins, eines amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses. „Früher wurden die Frauen regelmäßig untersucht“, sagt der 71-Jährige. Der gynäkologische Untersuchungsstuhl wurde als Bock bezeichnet. Nur wer gesund war, erhielt die Genehmigung, weiter arbeiten zu dürfen. „Damals haben 98 Prozent der Prostituierten mit Kondom gearbeitet“, schätzt der Inhaber des Hauses.„Was jetzt versäumt wird, zahlt letztlich der Steuerzahler für die Behandlung der mit Geschlechtskrankheiten Infizierten.“
Der Bockschein ging auf das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten aus dem Jahr 1953 zurück. 2001 wurde es durch das Infektionsschutzgesetz ersetzt. Der Zwang zur Kontrolle entfiel.
Oberhausener Prostituierte haben vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gegen die „Sex-Steuer“ geklagt. „Entschieden hat das Gericht noch nicht“, erklärte ein Stadt-Sprecher. Der Hintergrund: Seit dem 1. Januar 2009 sieht die Vergnügungssteuersatzung der Stadt vor, dass Prostituierte zusätzlich zu den eh schon zu zahlenden Steuern - wie Einkommenssteuern - pro Tag sechs Euro zahlen. Zugrunde gelegt werden 25 Arbeitstage monatlich. Macht für Oberhausen 175 000 Euro mehr pro Jahr. Die Stadt, die die auch für Kasinos oder Spielautomaten erhobene Vergnügungssteuer ab 2012 bis 2014 jährlich um ein Prozent erhöhen will, hofft so auf Mehreinnahmen von 230 000 Euro in 2011, 461 000 Euro in 2013 und 692 000 Euro in 2015.