Seit 40 Jahren steht Heinz Magass hinter dem Tresen des „Braustüb’l“, einer der letzten Nachtgaststätten der Stadt.
Wohin soll man nur zuerst schauen? Auf die Flaschenfiguren, oben auf dem Regal hinter dem massiven, dunklen Tresen? Auf den leicht angestaubten, ausgestopften Rabenvogel, der dem neuen Gast entgegenkräht? Auf die Autogrammkarten von Klaus-Theo Gärtner, Prinzenpaaren und lokalen Schlagergrößen? Schwer zu sagen, woran sich die Augen im „Braustüb’l“ zunächst festhalten sollen.
Den meisten Gästen mag’s egal sein, denn wenn sie die schwere Holztür an der Friedrich-Karl-Straße 91 aufstoßen, haben gewiss die wenigsten noch großen Sinn fürs Interieur. In der Gaststätte von Heinz und Christina Magass pflegen lange Nächte nämlich nicht zu beginnen, weit häufiger schon enden sie dort. 40 Jahre steht Heinz Magass im „Braustüb’l“ nun schon am Zapfhahn, seit 1991 mit der einst so begehrten Nachtlizenz.
Wie die Ölsardinen
Auch heute noch knipst der 74-jährige Magass das Licht erst an, wenn die Trinkersonne hoch am Himmel steht: „Geöffnet ist von 22 bis 6 Uhr, bei Bedarf kann’s auch mal länger werden“, erklärt der Wirt. Und damit ist sein „Braustüb’l“ eine der letzten Anlaufstellen für durstige Kehlen in langen Oberhausener Nächten. Ein Geschäftsprinzip, mit dem er schon seit 40 Jahren schwimmt in einer Branche, in der manche schneller untergehen als ihnen lieb ist.
„Am Anfang, ohne Nachtlizenz, musste ich oft die Tür zuschließen und die Lichter draußen ausmachen, dann ging’s drinnen richtig los“, erinnert sich Magass an die alten Zeiten. Im Oktober 1970 hat er sein „Braustüb’l“ übernommen, die Zeiten für Wirte waren damals so golden wie das Pils aus dem Zapfhahn. „Da standen die Leute hier drin wie die Ölsardinen.“ Magass griff zu, gab dafür seinen Imbiss unmittelbar am Bordell an der Flaßhofstraße auf. Nachbarn beäugten den Geschäftswechsel kritisch. „Die haben gesagt, ich soll bei meinen Pommes bleiben, ich schaff’ das nicht“, erzählt der 74-Jährige, ein Lächeln kann er sich dabei nicht verkneifen. Denn die anderen gingen, Heinz Magass blieb.
Viel Pils ist seitdem die Kehlen hinuntergeflossen, am „Braustüb’l“-Tresen hat Magass viel erlebt. Er schenkte Bier aus an Männer, die sich für den Rotlicht-Besuch Mut angetrunken haben – und beruhigte jene, die von seiner Kneipe aus die Polizei rufen wollten, weil sie sich beim Geschäft mit der käuflichen Liebe betrogen fühlten.
Nicht genau hinhören
Und so manches Mal musste Heinz Magass rabiaten Gästen auch unsanft den Weg zur Tür weisen – Ausnahmen, keineswegs die Regel im Nachtgeschäft, wie er betont: „Die meisten wissen sich ja zu benehmen“, weiß der Nachwirt. Und auch, dass er nicht immer so genau hinhören muss, wenn’s hoch hergeht in seiner Kneipe, während woanders schon die Bürgersteige hochgeklappt werden. Schließlich gefällt ihm das Geschäft, ist trotz der kräftezehrenden Arbeitszeiten sowas wie ein Jungbrunnen für den immerhin schon 74-jährigen Gastronomen.
Der freut sich über Anerkennung, etwa die Geschenke seiner Stammkunden zum 40-jährigen Bestehen. „Das muss ich auch noch rahmen“, brummt Heinz Magass, verschwindet kurz hinter seinem Tresen und kommt mit einem Plakat der Riverdance-Company zurück. Alle haben darauf unterschrieben. Als die Show nämlich im Herbst vergangenen Jahres eine Woche in Oberhausen gastierte, wurde das „Braustüb’l“ zum Stammlokal, das Wirtspaar auch zur Show eingeladen.
Magass erinnert sich gerne daran. Und an viele, viele andere Nächte. Kein Wunder, dass er da kein Ende finden will – da geht’s ihm genauso wie seinen Gästen.