Angst der Oberhausener vor Schwerverbrecher-Anstalt Thema von WDR5-Sendung
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Oberhausen. . Die Podiumsdiskussion einer Radio-Sendung im Ebertbad zeigt: Die Angst vor Schwerverbrechern in Oberhausen besteht noch immer. Die Aufzeichnung der Diskussion wird am Donnerstag, 17. März, um 20.05 Uhr im WDR5-Radio ausgestrahlt.
Bei einer WDR-Radio-Diskussion im Ebertbad über den Umgang mit äußerst gefährlich geltenden Gewalttätern zeigt sich: Angst und Unsicherheit bei einem Teil der Oberhausener über die neue Anstalt in der Innenstadt sind trotz vieler Informationen geblieben.
Es geht um etwa 200 Straftäter in Deutschland, 70 davon aus NRW, die abscheuliche Gewalt- und Sexualverbrechen verübt haben und im ursprünglichen Gerichtsurteil zwar mit einer jahrzehntelangen Haftstrafe, aber nicht mit einer Sicherungsverwahrung bis zum Lebensende verurteilt worden sind: Diese muss Deutschland nach einem Urteil des Europäischen Menschengerichtshofes auf Antrag freilassen - die bisherige nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der eigentlichen Strafe verstößt gegen Grundprinzipien der Menschheit. Dies meinen die europäischen Richter, allen voran Renate Jäger: „Das sind seit Jahrhunderten geltende Garantien gegen willkürlichen Freiheitsentzug.“
"Stadtgespräch"
Jägers Begründung ihres Urteils ließen die WDR5-Moderatoren Judith Schulte-Loh und Stefan Leiwen zum Auftakt der Radio-Sendung „Stadtgespräch“ über die heikle Sicherungsverwahrung im Ebertbad den rund 100 Zuhörern der Podiumsdiskussion am Dienstag einspielen.
Jägers Aussage provozierte eine regelrechte Gerichtsschelte der früheren NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter: „Es gibt auch eine Garantie auf Sicherheit im Menschenrecht. Das hat der Menschengerichtshof zu wenig beachtet.“
Bürger noch immer beunruhigt
Der WDR ist wie zuvor schon der Deutschlandfunk für die bundesweit ausgestrahlte Aufzeichnung der Sendung (am Donnerstag, 17. März, 20.05 Uhr, WDR5-Radio) nach Oberhausen gegangen, weil hier in wenigen Monaten die einzige neue umstrittene NRW-Einrichtung für diese Brutalst-Täter, die von Gerichten als „psychisch gestört“ eingestuft werden sollen, errichtet wird - durch den Umbau der alten Haftanstalt in der Innenstadt.
Man merkte während der trotz des heißen Themas sachlich verlaufenen Sendung bei Fragen aus dem Publikum, wie sehr diese neue Anstalt für Brutaltäter einen Teil der Oberhausener Bürger immer noch beunruhigt. Trotz vieler Informationen bleiben bei etlichen Bürgern Angst und Unsicherheit, künftig bis zu 20 Schwerstverbrecher in der Nähe zu haben.
"Recht sicher"
„Es sind noch viele Fragen offen“, meint etwa die Oberhausenerin Anita Freund, die bald im Beirat, also im Kontrollorgan für die neue Anstalt, offiziell ThUG-Einrichtung (siehe Kasten) genannt, mitarbeiten wird. „Man informiert uns nicht richtig, man ist nicht offen zu uns. Wir wissen nicht, was da gerade in der JVA passiert“, kritisiert Carolin Buttke von der Bürgerinitiative, die die Standort-Wahl für völlig falsch hält, die Politik.
Demo gegen Schwersttäter-Unterbringung
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Polizeigewerkschafter Rainer Wendt verteidigt die Einrichtung: Sie sei dringend nötig - und recht sicher, selbst in der Nähe von Kindergärten und Schulen. „Ich würde meine Kinder und Enkel zu den Schulen hier hinschicken.“ Heute würden mehrere dieser Täter frei herumlaufen, wenngleich unter Polizeischutz, das sei aber ein Risiko. „Diese gefährlichen Menschen gehören hinter Schloss und Riegel. Der Polizeischutz kann nicht dauerhaft Sicherheit gewährleisten.“
Nicht mehr therapierbar
Der bundesweit bekannte Essener Forensik-Fachmann Prof. Norbert Leygraf hält von dem Gesetz wenig („nur wenn einer gegen Normen verstößt, ist er nicht psychisch gestört“). Die betroffenen Schwerstverbrecher seien praktisch nicht mehr therapierbar. Dagegen spreche ihr relativ hohes Alter und ihre Knasterfahrung. „Sie saßen bereits 20 bis 25 Jahre in Haft ohne therapiert worden zu sein“, meint Leygraf.
Wolfram Strauch wiederum, der Anwalt des durch die Medien bekannt gewordenen Sexual-Straftäters Karl D. aus Heinsberg, warb um Verständnis für die Situation der Menschen, die ihre lange Strafe für ihr Verbrechen bereits verbüßt haben - und nun wieder eingesperrt werden sollen.
Mogelpackung
„Das neue Gesetz ist eine reine Mogelpackung. Es verstößt gegen Menschenrechte.“ Er finde es schlimm, wie Karl D. und andere Täter von der Öffentlichkeit durch Deutschland gehetzt werden. Karl D. sei es nicht möglich gewesen, in Ruhe bei seinem Bruder zu leben. Jetzt sei er freiwillig in den Gelsenkirchener Knast gegangen - als Bewohner.
Infokasten:
Um die Schwerstverbrecher nach der vom EU-Gericht erzwungenen Freilassung doch noch wegschließen zu können, entwickelte der Bund ein neues Gesetz, dass diese Menschen weder als Strafgefangene (für Haftanstalten) noch als Kranke (für Forensiken) einstuft, sondern als „psychisch Gestörte“. Das Gesetz heißt „Therapieunterbringungs-Gesetz“ (ThUG), für das spezielle Einrichtungen (ThUG-Einrichtungen) getrennt von Forensiken oder Gefängnissen, geschaffen werden müssen. Die Täter müssen vor der Einweisung von Richtern und Gutachtern als „psychisch gestört“ eingestuft werden.
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