Oberhausen.

Bei der ersten öffentlichen Infoveranstaltung zur Therapieunterbringung in der JVA Oberhausen erklärte Gesundheitsministerin Barbara Steffens, es habe keine Alternative gegeben: „Hier in Oberhausen ist schließlich in 20 Jahren niemand ausgebrochen.“

Erst nach hundert Minuten konnte die für die strittige Gefängnis-Entscheidung verantwortliche Gesundheitsministerin Barbara Steffens im Saal Berlin der Luise-Albertz-Halle am Dienstagabend ein wenig durchatmen: So lange hagelte es Kritik auf Kritik, Frage auf Frage zur Standortwahl, zur Sicherheit, zum überfallartigen Verfahren ohne Bürgerbeteiligung.

Die Grünen-Politikerin antwortete ausführlich, hörte sich geduldig emotional bewegende Geschichten von Eltern über ihre verängstigten Kinder an, die es bald nicht mehr wagen würden, von ihrer Schule am Gefängnis vorbei nach Hause zu gehen. Bis dahin rührte sich keine Hand zum Beifall; hohes Misstrauen und Unbehagen der Bürger schlugen der Ministerin entgegen - bis um 21.13 Uhr. Dann sagte sie: „Diese gefährlichen Gewalttäter laufen doch jetzt frei herum, sie können hingehen, wo immer sie hin wollen. Wenn einer dieser Leute jetzt ein Kind erschlägt, dann schreien Sie doch als erste, warum hat das Land diese Leute nicht rechtzeitig sicher untergebracht.“

Und zum ersten Mal klatschten ganze Reihen unter den gut 500 Oberhausener Bürgern, die an der ersten öffentlichen Infoveranstaltung zur neuen Einrichtung für brutale Schwersttäter im früheren Gefängnis mitten in der Innenstadt teilnahmen.

Die beste Alternative

Zuvor hatte Steffens beteuert, sie habe alle möglichen Alternativen untersucht, der Gefängnis-Standort Oberhausen sei jedoch trotz der nicht idealen Lage in der Innenstadt die einzige Möglichkeit gewesen, sehr schnell ein sicheres Gebäude für die Extremtäter frei zu bekommen. „Hier in Oberhausen ist schließlich in 20 Jahren niemand ausgebrochen.“

Hochemotional hatte die Diskussion begonnen, als Oberbürgermeister Klaus Wehling (SPD) versicherte, dass für ihn die Sicherheit der Oberhausener höchste Priorität habe. Das Hohngelächter, die Buh-Rufe ließen Schlimmes befürchten, doch bis zum Ende gegen 22 Uhr blieben die Fragen und Stellungnahmen der Bürger sehr sachlich.

Wehling stellte klar, dass die Stadt kein Mitspracherecht bei der Entscheidung hatte, wiederholte aber seine drei Bedingungen, unter denen er die neuartige „Therapieunterbringungs (Thug)-Einrichtung“ für Schwersttäter im Zentrum akzeptiert: Kein Freigang in Oberhausen, Erhöhung des Sicherheitsstandards des ehemaligen Gefängnisses und nur eine Übergangslösung bis zum 31. Dezember 2012.

Bürgerbeteiligung sei aufgrund der Dringlichkeit nicht möglich gewesen

Barbara Steffens, erst seit Sommer 2010 Gesundheitsministerin, beteuerte, wie eng ihr Spielraum bei der Wahl der neuen Einrichtung für „psychisch gestörte“ Gewalt- und Sextäter war: „Ich hätte mir gewünscht, einen ganz neuen Standort nach ausführlicher Bürgerbeteiligung zu erstellen.“ Dies sei aber wegen der nötigen Dringlichkeit nicht möglich gewesen: Der Bund habe per Gesetz Ende Dezember die Länder beauftragt, die Thug-Einrichtung zügig zu schaffen - diese dürfe aber kein Gefängnis und kein Krankenhaus sein.

Täglich sei damit zu rechnen, dass Städte einen Eilantrag stellten, heute noch freie, als äußerst gefährlich eingestufte Gewalttäter in diese Thug-Anstalt einzuweisen.

Diese Täter musste Deutschland nach Urteilen des Menschengerichtshofes der EU aus der Haft entlassen, weil diese ihre Strafe abgesessen hatten und die bisher übliche „nachträgliche Sicherungsverwahrung“ bei unverbesserlichen Schwersttätern gegen Menschenrechte verstößt. So sind diese Gewalttäter nun in Freiheit, kostenträchtig bewacht von einem 25-köpfigen Polizeiteam pro Täter.

Freigang werde es nicht geben

Mehrmals versprach Steffens: „Die Oberhausener Einrichtung ist nur eine Übergangslösung. In diesem Gebäude mitten in der Innenstadt kann man ohnehin keine erfolgreiche Therapie dauerhaft durchführen.“ Zudem werde es in Oberhausen keinen Freigang der Täter geben.

In einem transparenten Bürgerverfahren wolle man nun ein neues Haus für diese Tätergruppe bauen. Der Mietvertrag für die Nutzung der JVA Oberhausen laufe nur bis Ende 2012. Eine schriftliche Bestätigung der Übergangslösung verweigerte sie aber erneut. „Sie haben aber mein Versprechen, dass wir alles Mögliche tun werden, um noch schneller die neue Einrichtung fertigzustellen.“

Nun aber werde erst einmal die JVA umgebaut - mit höheren Sicherheitsanforderungen und größeren Zellen. Den Verdacht, mit so hohen Investitionen sei doch klar, dass Oberhausen zur Dauereinrichtung werde, versuchte Steffens zu zerstreuen: „Die Kosten für die Rund-um-die-Uhr-Bewachung durch 25 Polizisten pro freiem Täter sind viel höher.“