Oberhausen. Die Oberhausener Polizei hat eine neue Chefin. Im großen Interview redet Polizeipräsidentin Sylke Sackermann Klartext - auch bei heiklen Fragen.
Seit 8. Januar 2024 ist Sylke Sackermann die neue Polizeipräsidentin von Oberhausen. Im Interview mit der Redaktion nennt die 46-Jährige wichtige Ziele, die sie sich gesteckt hat und verrät, warum Oberhausen für sie eine ganz besondere Stadt ist.
Frau Sackermann, was reizt Sie an der Aufgabe als Oberhausener Polizeipräsidentin?
Ich habe mich gefreut die Führungsposition in einer Stadt zu übernehmen, zu der ich einen persönlichen Bezug habe. Ich bin gebürtige Oberhausenerin, bin hier aufgewachsen, habe im Oberhausener Präsidium als Direktionsleiterin für Zentrale Aufgaben einen Teil meiner beruflichen Biografie absolviert. Dass ich nun gerade hier das Amt als Polizeipräsidentin antreten kann, hat für mich eine besondere Bedeutung.
Wie viel Respekt haben Sie vor der neuen Aufgabe?
Viel Respekt auf jeden Fall, auch Demut. Durch meine vielfältigen beruflichen Stationen fühle ich mich aber gut gewappnet für diesen anspruchsvollen Job in einer Behörde mit einer Größe von mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Man muss für diese Aufgabe keine Spitzen-Kriminalistin sein, vielmehr sollte man in der Lage sein, die gesamte Polizeibehörde, mit ihren vielfältigen Aufgaben, zu managen.
Im europäischen Vergleich sind die Kriminalitätsraten im Ruhrgebiet sehr niedrig. Trotzdem haben viele Bürger ein großes Unsicherheitsgefühl – gerade auch in Oberhausen. Woran liegt das?
Zunächst einmal zählt Oberhausen zu den sichersten Großstädten in Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus schaut die Behördenleitung natürlich genau hin, was in Oberhausen passiert. Wir analysieren und bewerten die Kriminalitätszahlen deshalb fortlaufend. Hier gab es bislang keinen alarmierenden Anstieg von Deliktsfeldern. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die verschiedenen Krisensituationen für Verunsicherung bei der Bevölkerung gesorgt haben könnten: von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg bis hin zum Nahost-Konflikt. Aus den rein polizeilichen Statistiken lässt sich jedenfalls keine signifikant höhere Gefährdung ableiten.
Spielt bei der zunehmenden Verunsicherung der Bevölkerung auch die Schnelllebigkeit der digitalen Nachrichten eine Rolle?
Sicherlich. Im Internet und den sozialen Netzwerken werden schlechte Nachrichten und vor allem Gewaltdelikte aus der ganzen Welt sofort gelesen, geteilt und kommentiert. In der Vergangenheit hätten wir davon oft nichts erfahren. Das kann sich durchaus auch negativ auf das eigene Sicherheitsempfinden auswirken.
Der schlimme Fall der getöteten beiden Jugendlichen aus der Ukraine hat weit über Oberhausen hinaus für Entsetzen gesorgt. Einen Tag zuvor gab es eine heftige Schlägerei mit Kontrolleuren, ausgehend von Schwarzfahrern, in einem Regionalzug, der am Hauptbahnhof Oberhausen hielt. Wird diese Gesellschaft immer brutaler?
Statistisch lässt sich das nicht belegen, jedoch werden solche Verbrechen in der Öffentlichkeit durch die Medien deutlich intensiver wahrgenommen. Umso wichtiger ist es aber aufzuzeigen, dass unsere Beamtinnen und Beamten mit sehr viel Herzblut dabei sind, um die Straftaten aufzuklären und die Täter zu ermitteln.
Nach neuen Statistiken hat Oberhausen in NRW mit jungen Intensivtätern das größte Problem. Bekommt die Polizei Intensivtäter überhaupt noch in den Griff?
Wir arbeiten in Oberhausen im Haus des Jugendrechts eng mit der Justiz, mit der Stadtverwaltung und weiteren Partnern zusammen, um Intensivtäter-Karrieren zu verhindern. Diese vielen Projekte zeigen gute Erfolge. Aber Polizei und Strafverfolgungsbehörden können das Problem nicht allein lösen, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der zum Beispiel auch Eltern, Schulen und Bildungsträger in der Pflicht sind, junge Menschen vor dem Abrutschen in die Kriminalität zu bewahren.
Hat die Polizei Oberhausen eine ausreichende personelle Stärke, um verlässlich Präsenz in der Stadtfläche zu zeigen?
Natürlich bin ich in meiner Funktion als Behördenleiterin daran interessiert, stets noch mehr Personal zu bekommen. Wir sind aber dank der Einstellungs-Initiative von NRW-Innenminister Herbert Reul mittlerweile gut aufgestellt. Rund 3000 junge Beamtinnen und Beamte kommen in jedem Jahr landesweit hinzu, davon profitiert auch Oberhausen. Wir haben insgesamt mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Rund die Hälfte aller Polizistinnen und Polizisten versehen ihren Dienst in den Bereichen „Gefahrenabwehr und Einsatz“. Insofern sind wir sehr gut aufgestellt, um für den Schutz und die Sicherheit der Oberhausener Bürgerinnen und Bürger zu sorgen sowie auch Präsenz im Stadtgebiet zu zeigen.
Gibt es genügend Kandidaten für den besonders bürgernahen Bezirksdienst?
Ja, wir haben hier sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen. Und das ist auch sehr wichtig, denn der polizeiliche Bezirksdienst in den Oberhausener Stadtteilen stärkt in besonderer Weise das Sicherheitsgefühl der Menschen. Die Beamtinnen und Beamten sind zu Fuß, auf dem Fahrrad sowie mit dem Pedelec unterwegs und jederzeit ansprechbar. Die Menschen nutzen das, um ihre Sorgen zu äußern, Fragen zu stellen oder einfach nur, um mit der Polizei ins Gespräch zu kommen. Der Bezirksdienst ist ein wichtiger Bestandteil unserer polizeilichen Arbeit.
Gibt es Themenfelder, die Sie nun als Polizeipräsidentin mit ihren Leuten beackern möchten?
Im Moment lasse ich Lagebilder erstellen, spreche mit den jeweiligen Direktionen, um zu klären, ob und wo es Probleme gibt und welche Lösungen entwickelt werden könnten. Wichtig ist, dass wir als Behörde – über die Landesstrategien hinaus – die Möglichkeit haben, eigene Schwerpunkte zu entwickeln und zu setzen. Deshalb konzentrieren wir uns derzeit auf die Senkung der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen, kümmern uns aber auch weiter intensiv um frühere Schwerpunktthemen wie Clan- und Rauschgiftkriminalität oder die Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität.
Wann kommt endlich das neue Polizeipräsidium?
Dieses Projekt ist derzeit einer der wichtigsten Aufgaben. Wir benötigen als Polizei Oberhausen zeitgemäß ausgestattete Räume und Anlagen, um weiterhin gute Polizeiarbeit leisten zu können. Derzeit läuft das Ausschreibungsverfahren: Das Gebäude wird von einem privaten Unternehmen gebaut, das sich in einem europaweiten Bieterverfahren durchsetzen muss. Die Polizei Oberhausen wird dann Mieter des neuen Präsidiums, das an einem geeigneten Ort im Stadtgebiet entstehen wird. Weitere Details und einen genauen Zeitplan bis zur Fertigstellung kann ich derzeit leider nicht nennen. Ich will ja keine Ankündigungs-Weltmeisterin werden. Auch die wichtige Sanierung des Polizeigebäudes am Wilhelmplatz in Sterkrade geht übrigens weiter. Das Container-Provisorium dort soll so schnell wie möglich enden.
Bei schweren Gewalttaten übernimmt ja oft das große Polizeipräsidium Essen/Mülheim die Ermittlungen, bei politischen Taten sowieso. Ist das Polizeipräsidium Oberhausen denn überhaupt noch ein vollwertiges Präsidium?
Absolut, Oberhausen ist ein vollwertiges Präsidium mit allen polizeilichen und kriminalpolizeilichen Aufgaben. Und ich halte unsere Struktur auch für angemessen. Gerade die Überschaubarkeit unserer Behörde ermöglicht effiziente polizeiliche Teamarbeit und eine gute Kooperation mit den kommunalen Partnern; zudem ist es doch sinnvoll, wenn sich einzelne Polizeibehörden auf bestimmte Straftaten-Felder spezialisieren und eine besondere Expertise aufbauen. Eine weitere Besonderheit, die ich schon aus meiner früheren Tätigkeit in Oberhausen zu schätzen gelernt habe: Die Kolleginnen und Kollegen identifizieren sich mit der Stadt Oberhausen und ihrer Polizeibehörde. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das auch für den Erfolg unserer Arbeit ausschlaggebend ist.
>>> Zur Person: Im Jahr 1977 in Oberhausen geboren
Dr. Sylke Sackermann wurde im Jahr 1977 in Oberhausen geboren und studierte Rechtswissenschaften in Düsseldorf. Im Jahr 2006 begann sie bei der Stadt Erkrath und bekleidete verschiedene Leitungspositionen. 2014 wechselte sie ins Polizeipräsidium Oberhausen, wo sie als Direktionsleiterin „Zentrale Aufgaben“ für wichtige Bereiche wie Personal und Haushalt verantwortlich war. Nach einer Station im NRW-Innenministerium wechselte sie zum „Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste“ in Duisburg. Hier leitete Sylke Sackermann die Abteilung für Rechts- und Liegenschaftsangelegenheiten der Polizeibehörden Nordrhein-Westfalen und freie Heilfürsorge.
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